Crowdworker oder Cloudworker, die modernen Dienstleister on demand, haben meistens ein schweres Leben da draußen. Nicht dass diese Teilnehmer der Arbeitswelt 4.0 übertriebene Ansprüche hätten, doch reicht das Einkommen auch für Kreative häufig hinten und vorne nicht.
Die sogenannte „Liquid Workforce“ steht mehr oder weniger für Mitarbeiter on demand, die nur auf Abruf und bei Bedarf aus der Cloud heraus für ein bestimmtes Unternehmen arbeiten und dabei als freie Anbieter ihrer jeweiligen Dienstleistungen häufig sogar gegeneinander antreten. Das Modell hat Hochkonjunktur.
Begrifflichkeiten
Die Cloud (Wolke) bezeichnet das Umfeld, in dem Crowdworker (auch als Cloudworker bezeichnet) ihre Dienstleistungen anbieten. Alternative Wirtschaftsformen wie die Share-Economy (auch aus Sharing Economy bezeichnet) werden über Plattformen, Online- und Offline-Communitys etc. zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber vermittelt. Beispiele sind hier Uber und Airbnb.
Zwischenzeitlich wurden diverse Portale gegründet, auf denen sich Unternehmen und Cloudworker finden, Angebot und Nachfrage also. So angebotene Dienstleistungen sind z. B. kreative Dienstleistungen, Programmierungen, bis hin zu diversen weiteren Dienstleistungen wie die Erstellung von Content.
Die Ausgangslage
Für die Cloudworker bietet diese Arbeitswelt den theoretischen Vorteil der freien Zeiteinteilung und die Entscheidung bei Auswahl ihrer Auftraggeber. Die Unternehmen, die bei diesem Arbeitsmodell meistens im Vorteil sind, schätzen die Einsatzflexibilität gegenüber fest angestellten Mitarbeitern und freuen sich zudem nicht nur über die Einsparungen bei den Sozialversicherungsleistungen. Sie profitieren zudem vom Wettbewerb unter den Cloudworkern, der die Angebotspreise nicht selten purzeln lässt.
Ausnahmen sind direkte und feste Vereinbarungen zwischen Auftraggebern und Cloudworkern, denen teils relativ faire Honorare zugrunde liegen, sparen sich die Auftraggeber doch in jedem Fall die Lohnnebenkosten.
Risiken der digitalen Arbeitswelt
Doch schon diese häufige Ungleichheit zwischen Angebot und Nachfrage zeigt, dass diese neue digitale Arbeitswelt Errungenschaften wie Mindestlöhne, Arbeitsschutz, Urlaub, Krankenversicherung oder Altersabsicherung in Frage stellt. Zudem tritt der Wettbewerb zwischen freien Cloudworkern und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen mit ihren Grundsicherungen immer deutlicher zutage.
Spezielle Share-Economy-Modelle wie die von Uber oder Airbnb als eine bestimmte Wirtschaftsform der neuen digitalen Arbeitswelt fühlen sich größtenteils nicht an arbeitsrechtliche Bestimmungen gebunden. In der Folge gewinnen einige wenige Milliarden, während Millionen von Workern ihre Existenz als Teil dieser Netzwerke kaum oder gerade so bestreiten können.
Politische Regulierung erforderlich
So sehr die „Ökonomie des Teilens“ nach Genossenschaft und Teilhabe klingt, sind diese Geschäftsmodelle eher das Gegenteil. Prominente Kritiker dieser Wirtschaftsformen, wie der SPON-Kolumnist Sascha Lobo, sprechen statt von Share-Economy von Plattform-Kapitalismus.
Im Grunde sind sich die Experten aller Lager darin einig, dass einige Mechanismen der Arbeitswelt 4.0 einen Konsens in der Gesellschaft brauchen, damit hier kein freier Rechtsraum entsteht, in dem sich „Mitarbeiter“ nach Belieben und zudem nicht selten weit am Mindestlohn vorbei rekrutieren lassen. Gier ist menschlich und gerade darum sollten Rahmenbedingungen besprochen werden.
Die Digitalisierung frisst ihre Kinder
Der digitale Fortschritt ist unumkehrbar. Die digitale Revolution schafft nicht nur neue Formen von Kommunikation und Lebenskomfort – sie verändert auch unseren Arbeitsmarkt: Nicht nur sozialversicherungspflichtige Jobs, sondern auch traditionelle Dienstleistungsbereiche befinden sich auf dem Rückzug:
Digitale Sensoren am Handgelenk ersetzen künftig immer häufiger den Hausarzt und Posts in sozialen Netzwerken wird heute mehr vertraut als der Beratung durch den Fachverkäufer. Flüge und Hotels buchen wir nicht mehr im Reisebüro, sondern im Internet. Software ersetzt häufig den Steuerberater und andere Berufe – so auch klassische Berufe der Kreativbranche. Kaum, dass diese neuen Wirtschaftsformen etabliert sind, ist schon die Rede von künstlicher Intelligenz (KI) und in nicht mehr so ferner Zukunft Androiden, die zunehmend auch qualifizierte Jobs erledigen können.
Es besteht überhaupt kein Zweifel mehr daran, dass dieses Mal gerade nicht ebenso viele oder gar mehr Arbeitsplätze durch die Produktion neuer Technologien geschaffen werden als selbige ersetzen. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte kippt die Arbeitsplatzbilanz im Wettbewerb zwischen Mensch und Maschine sogar eindeutig in Richtung Maschine.
Führt der digitale Arbeitsmarkt
in die Dumpinghölle?
Macht uns das Netz arbeitslos – oder schafft es vielleicht ganz neue Formen der Arbeit? Darüber sprach Richard David Precht in seiner ZDF-Philosophiesendung schon im Oktober 2014 mit dem Journalisten, Blogger und Buchautor Sascha Lobo, der sich selber als Internet-Intellektueller bezeichnet.
Lobo sagt, dass der gegenwärtige Weg des digitalen Fortschritts direkt in die „Dumping-Hölle“ führt. Der „Plattform-Kapitalismus“ vernichte nicht nur Millionen von Arbeitsplätzen, um deutlich weniger neue zu schaffen, er verändere auch die Arbeitswelt derjenigen, die noch Arbeit finden. Deren Arbeitsverhältnisse dürften in Zukunft äußerst prekär werden.
Amateure statt Profis, „hire and fire“ statt Festanstellung, Schwarmintelligenz statt Fachkräfte:
Die Zukunft der Arbeitswelt, so diagnostizieren die Experten, werde aus einer Art digitalen Klassengesellschaft bestehen. Einige wenige beherrschten und bestückten die Computer, während die Mehrheit dem folge, was die Rechner ihnen vorschreiben. Das ist sehr abstrakt betrachtet, scheint bei näherer Betrachtung aber realistisch.
Wo bleibt die
gestaltende Politik?
Weder die Politik noch die Gesellschaft können ein Interesse an dieser Entwicklung haben. Auch die Wirtschaft kann sich nicht wünschen, dass Massenarbeitslosigkeit, ein labiler Binnenmarkt, vor allem aber weiterhin schwindende Kaufkraft die Folge sind. Was kann man dagegen tun? Der digitale Fortschritt sei irreversibel, so Precht. Der Umkehrschluss: Diese neuen Wirtschaftsformen bedürfen dringend der Regulierung.
Wie es scheint, so resümierten die beiden in ihrer Diskussion auch, verschläft die Politik den Trend und sollte längst Antworten auf ein Phänomen gefunden haben, das Millionen von Arbeitskräften betrifft. Vielleicht ist es der Politik sogar recht, dass Millionen von Einzelkämpfern, von denen Hunderttausende Cloudworker ausschließlich von diesen Einnahmen leben müssen und keinem festen Job nebenbei nachgehen, den Arbeitslosenstatistiken nicht schaden, selbst wenn sie von ihrer Hände Arbeit häufig nicht leben können und Zuschüsse benötigen.
Oberste Arbeitsrichterin sieht
Handlungsbedarf beim Cloudworking
Schon vor Jahren äußerte sich die oberste Arbeitsrichterin Ingrid Schmidt. Auf die Frage, ob sie eine Gefahr von Selbstausbeutung erkenne, sagte sie gegenüber der FAZ:
„Wenn die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit eine völlig fließende wird, dann muss man Vorkehrungen treffen, die den Arbeitnehmer auch davor schützen, sich selbst auszubeuten.“
Es sieht derzeit so aus, als wenn genau das geschieht.
Arbeitsrichterin Schmidt: „Der klassische Acht-Stunden-Tag hat doch längst ausgedient.“
„Umstritten ist die elfstündige Ruhezeit, deren Einhaltung das Arbeitszeitgesetz nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit verlangt“, so Schmidt weiter. Das sehr kurze Interview lässt viele Fragen offen. So stellt sich nicht nur die Frage, ob es für Cloudworker eine Art Mindestlohn geben sollte, sondern auch, wie qualifizierte Festangestellte besser vor Cloudworkern geschützt werden können, denn die Gefahr besteht, dass sie statt des Mindestlohnes irgendwann vor einer Entlassung stehen.
Das gilt besonders, wenn sich der Wettbewerb noch weiter verschärft bzw. die Cloud-Dienstleistungsangebote sich weiter präzisieren und optimieren.
Cloudworker treten häufig im direkten Wettbewerb an. Warum sollte ein Unternehmer 30 Euro zahlen, wenn es ein anderer für 27 Euro anbietet? Das wiederum bringt Preise mit sich, die Unternehmern erst recht Anreize liefern, feste Mitarbeiter durch Cloudworker zu substituieren. Als „Flexibilität für Unternehmen, Unsicherheit für Beschäftigte“ beschreibt Computerwoche den Trend. ZEIT beschreibt die Gruppe der Cloudworker als „digitale Tagelöhner“ und SPIEGEL ONLINE bezeichnet diese Fragestellungen als „Ethik in der Share-Economy“.
Beispiel Birthe Ziegler: „Ich bin die SEO-Sklavin“
Die Bloggerin Birthe Ziegler hat einen Selbstversuch in der Contentszene (Branche für Werbe- und Online-Texte) gemacht und kommt zu ziemlich klaren Ergebnissen. Sie hat sich selber als Content-Sklavin im ansonsten so bunten Internet wahrgenommen.