Der Wettbewerb ist sehr groß. Es gibt nicht wenige Festangestellte, die in ihrer freien Zeit selber als Cloudworker tätig sind und nicht immer so dringend auf den letzten Hunderter angewiesen sind wie Menschen, die alleine von der Wolke überleben müssen. Somit sind nicht nur feste Jobs durch die aus der Cloud gefährdet. Auch umgekehrt agieren Festangestellte, die wenigstens noch feste, wenn auch meistens real gesunkene Einkommen erhalten, preistreibend auf solche Cloudworker, die vollständig auf ihre Einnahmen aus der Cloud setzen.

Geschätzt mehrere Hunderttausend Cloudworker sind heute zusätzlich auf die Unterstützung des Staates angewiesen, so wie viele fest angestellte Arbeitnehmer, die ebenfalls von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Es kann nicht richtig sein und läuft entgegengesetzt dem politisch gewollten Mindestlohn, wenn Arbeitnehmer im Wettbewerb gegeneinander antreten, da sie in einem kaum regulierten Markt zum Freiwild allzu gieriger Initiatoren werden.

Cloudlabel für Auftraggeber
oder freiwillige Selbstkontrolle?

Eine freiwillige Kontrollkommission, bestehend aus verschiedenen Gesellschaftsgruppen, könnte Abhilfe schaffen, wenn dies denn politisch gewollt ist. Eine Art runder Tisch, an dem Vertreter aller Bedürfnisgruppen die Frage diskutieren, ob sich wenigstens für den freien Markt eine Art Ehrencodex oder bestimmte Richtlinien installieren lassen, die, und sei es nur stichprobenartig, überwacht werden.

Durch solche Regulierungen wird verhindert, dass einige wenige Hundert Milliardengewinne teils sogar unversteuert einkassieren, während viele Millionen Menschen gerade noch oder gar nicht mehr ohne staatliche Zuwendungen existieren können. Sie stabilisieren den sozialen Frieden und flankieren die Binnenkonjunktur.

Ein erschwingliches Label könnte dafür sorgen, dass Auftraggeber, die sich zu gewissen Standards verpflichten, dadurch als seriös identifiziert werden können.

Vielleicht reguliert
sich der Markt selber?

Die neue Arbeitswelt bringt zeitgleich auch mehr Transparenz mit sich. Verhält sich ein „Arbeitgeber“ wiederholt unfair, wird die Community es wissen. Die meisten Cloudworker werden sich vor der Abgabe eines Angebotes informieren. So gewinnen die Auftraggeber, die für faire Bezahlung und gute Bedingungen bekannt sind, mit der Zeit auch die besten Cloudworker, so die Hoffnung. Auch, dass die Initiatoren von Crowdworking-Plattformen, schon um potenziellen Auftraggebern die besten Worker bieten zu können, mit besonderen Angeboten um die besten und qualifiziertesten Worker werben.

Trotz aller Dienstleistungen, die auch ohne berufliche Qualifikationen und Festanstellungen erbracht werden können: Gerade bei kreativen Aufgaben wie Grafikdesign oder Autoren- oder Contentdiensten werden sich die Cloudworker, die ihre Qualitäten kennen, wahrscheinlich früher oder später bei fairen Auftraggebern wiederfinden, soweit sie die Preise nicht auch hier im Wettbewerb zerfasern. Auch Auftraggeber dürften in der täglichen Praxis häufig die Erfahrung machen, dass hochwertige Ergebnisse immer ihren Preis haben, sich aber im Regelfall mehr als amortisieren.

Gericht, Hammer

Eine Selbstregulierung des Marktes ist denkbar, denn am Ende des Tages entscheidet die Qualität der Dienstleistung, nicht ihr Preis. Dennoch besteht die Gefahr, dass ein Wettbewerb ohne freiwillige Spielregeln vor allem auf Kosten von kreativen Cloudworkern stattfindet. Bildnachweis: GPG.

Weniger ist oft: weniger

Texter, die Werbetexte (über Agenturen vermittelt) für Dritte erbringen, werden versuchen, der Zahlung entsprechend zu arbeiten – schnell und häufig ohne besondere Qualität. Kunden haben dann z. B. zwar bedenklich günstigen Discount-Content erhalten, der seinen Zweck aber nicht immer erfüllt, denken wir an die Anforderungen bei der Disziplin Content-Marketing, die sich alleine schon aus den neuesten Google-Algorithmus-Änderungen ergeben.

Hierbei kommt es wie bei vielen ähnlichen kreativen Dienstleistungen nicht darauf an, irgendeine, sondern eine sehr spezielle, qualifizierte Dienstleistung zu erbringen. Bei der Content-Erstellung also z. B. einen affinen und gut recherchierten Text mit Herz und Seele, idealerweise eingebettet in eine umfassende Content-Strategie. Für fünf bis 15 Euro pro Stunde sind solche Strategien oder einigermaßen performante Texte nicht zu haben.

PAGE: Freelancer sollten circa 70 bis 80
Euro pro Stunde verdienen

Das Fachmagazin PAGE kommt in Bezug auf das Einkommen von Kreativen gar zu dem Ergebnis: „Erst wenn Ihr Stundensatz irgendwo bei 80 Euro liegt, bewegen Sie sich als Freelancer oder Agenturbetreiber auf dem Boden der unternehmerischen Tatsachen.“ Die Redaktion rechnet ziemlich realistisch vor, wie Kreative kalkulieren müssen, um am Ende des Jahres vom eigenen Tagwerk leben zu können.

Ein Mal viel zu wenig ist: viel zu wenig. Tausend Mal zu wenig lohnt sich für die Initiatoren, die auf den Jagdinstinkt ihrer Kundschaft setzen und die Preise deshalb teils bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln, um Nachfrager für billige, dann aber häufig meistens nicht qualifizierte Angebote zu locken.

Weniger ist: weniger

So bleiben bei solchen Modellen häufig nicht nur die Kreativen mit nicht selten demütigenden Einnahmen zurück. Auch die Kunden dürften ihre Freude z. B. am billigen und häufig eilig zusammengebauten Content rasch verlieren – spätestens wenn im Falle von Content-Dienstleistungen ein Text eigentlich performen sollte und die reale SEO-Analyse oft erst Monate später für Ernüchterung sorgt.

Schriftzug Mindestlohn auf Hauswand.

Deutsche Steuerzahler subventionieren Dumpinglöhne jährlich mit mehreren Milliarden Euro. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) hervor. „Rund 1,4 Millionen Beschäftigte beziehen neben dem Lohn zusätzliche Sozialleistungen, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht“, erklärte eine IESM-Sprecherin. Bildnachweis: IESM.

Egal, ob wir Drucksachen kaufen, kreative Leistungen, redaktionellen Content oder andere Dienstleistungen: Die Frage, was die Dienstleistung kostet, muss im Kontext mit dem zu erwartenden Ergebnis stehen. Gerade in einer Zeit, in der sich so viele Hochqualifizierte auf dem Arbeitsmarkt finden wie nie zuvor, sollte man annehmen, dass jedes kreative Projekt von Verantwortlichen vor allem zielorientiert und nicht nur nach dem Preis projektiert wird.

ver.di geht mit Beratungsangebot
für Cloudworker online

ver.di hat sich mehrfach zu diesem Thema geäußert und bietet seit April 2015 ein entsprechendes Beratungsangebot für Cloudworker an. Es zeigt, dass sich ein Konsens in der Gesellschaft finden ließe, wenn genügend guter Wille auf allen Seiten gegeben ist.

Fazit 

Die Arbeitswelt 4.0 liefert viele spannende und neue Ansätze – sowohl für Unternehmer als auch für kreative Cloudworker. In keinem Fall jedoch kann es richtig sein, Cloudworker derart unreguliert und ohne freiwillige Spielregeln gegeneinander oder gegenüber Auftraggebern antreten zu lassen, egal für welche Dienstleistungen.

Der Markt hat gute Chancen auf Selbstregulierung: ein runder Tisch, an dem Vertreter sämtlicher Bedürfnisgruppen Platz nehmen, könnte Rahmenbedingungen festlegen und ggf. ein günstiges Siegel für solche Anbieter herausgeben, die bestimmte Standards erfüllen.