„Würden Sie das lesen?“

von | 2018, November | Content Strategie

Im Sommer habe ich mit einer Fachwirtin für Werbung und Kommunikation telefoniert. Es hat schon seinen Grund, warum es immer wieder zu krassen Missverständnissen im Content-Business kommt. 

Mann verzweifelt beim Texten

Der Weg zur richtigen Content-Marketing-Strategie erscheint vielen Unternehmen sehr komplex und zu wenig ergiebig. Schnelle Effekte durch digitale Anzeigen scheinen zunächst einfacher. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass das digitale Business künftig ohne kommunikative Inhalte nicht mehr funktioniert. Bildquelle: Designed by yanalya / Freepik

Über diesen und neun folgenden Beiträge, lege ich Ihnen so kurz wie möglich und so umfassend wie nötig meine langjährigen Erfahrungen als Content-Manager dar. 

Wenn Sie an authentischen Erfahrungen interessiert sind, werden Sie sich die Zeit nehmen, diesen sowie die folgenden drei Beiträge über die Themen zu lesen:  

  • Content-Marketing.
  • Bedeutung der Recherche im Content-Business.
  • Social-Media-Marketing.

Sie gewinnen in weniger als einer Stunde Erkenntnisse, die über Jahre gereift und eine Quintessenz gründlicher und ständiger Recherchen sind. 

Wenn Sie sich diese Zeit nicht nehmen, zählen Sie möglicherweise nicht zu meiner Zielgruppe – auch dies ist eine von vielen elementaren Erkenntnissen im Content-Business, nämlich, dass wir Autoren beim besten Willen nicht jeder Zielgruppe gerecht werden können.

Meine Motivation ist diese: Redaktionelle Fachbeiträge, die 500 bis 1.000 Wörter umfassen, mögen mehr Leser mobilisieren, sie liefern aber häufig keine ausreichenden Mehrwerte.

Schnell zu lesen, schnell vergessen.

Die Ausgangslage: Content wird unterschätzt

Selbst bei Unternehmen mit Hunderten Mitarbeitern entscheiden häufig die Chefs, auch im Bereich von Content- und Social-Media-Marketing. Diese Entscheider sind von allzu viel Details genervt, haben sie doch schon ihr Smartphone synchronisiert und sehen sich im digitalen Zeitalter angekommen.

Sachlicher formuliert, sind Entscheider angesichts der Fragmentierung von Möglichkeiten im digitalen und medialen Bereich schlicht überfordert. Jeder von uns kennt das. Managerinnen wie Vanessa Weber sind gestanden genug, dies offen zuzugeben und sprechen für Tausende weitere Topmanager. Keine Kritik also, sondern eine reale Momentaufnahme. 

Viele Entscheider gehen häufig immer noch davon aus, dass Content- und/oder Social-Media-Marketing eine Aufgabe ist, die mehr oder weniger nebenbei erledigt werden kann. Da werden in Stellenbeschreibungen für SEO- und/oder Social-Media- und/oder Content-Marketing-Manager gleich noch Aufgaben wie Assistenz der Geschäftsleitung oder IT-Kenntnisse erwartet. Von einer Person, wohl bemerkt. Die Aufgaben sind jedoch komplexer. Eine Komplexität, die sich in bare Münze wandeln lässt – und das ist kein Hexenwerk. 

Die Folgen mangelnder Kenntnisse über solche digitalen Jobs, bekommen auch externe SEO- und selbst wir Content-Agenturen immer wieder einmal zu spüren. Wenn es darum geht, Sachverhalte zu erklären, ist die Antwort von Entscheidern häufig frappierend: Geht das nicht einfacher? Können Sie mir das in Kurzform schicken? Bitte nur Stichpunkte. Mir geht es um Traffic. Fassen Sie sich kurz. Wie können Sie mir rasch einige Tausend User bringen?

Schon die Frage, was ein paar Tausend User wohl nützen, wenn diese nichts kaufen, könnte enorme Verluste vermeiden helfen. 

Beraten Agenturen nicht mutig genug?

Ich kann aus vielen eigenen Erfahrungen berichten, dass SEO-Agenturen in Gesprächen mit ihren Kunden, häufig nicht mehr über wichtige Details informieren – schon gar nicht über das langfristigere Thema Content-Marketing-Management, also z. B. Content-Strategien mit längerfristigem Ansatz.

Fakt ist für den Moment, dass sich Anzeigenkampagnen schneller vermarkten lassen.

Solche Dienstleistungen zu verkaufen, die zunächst einmal kosten und „nur“ langfristig wirken (sei die Wirkung noch so gewichtig) ist viel schwieriger als schnellen, „dreckigen“, da bezahlten Traffic zu vermarkten, sei er noch so teuer und wenig wirkungsvoll. Viele Hürden durch Desinformationen also, die ein strategisches Vorgehen erschweren – immer zum Nachteil der Kunden. Bevor es andere Agenturen machen, liefern wir eben das, was der Kunde will, denken sich wohl einige Agenturen. Wenig mutig, aber ein kleines Stück weit sogar verständlich. 

Gegen Beratungsresistenz ist kein Kraut gewachsen

Im Ergebnis fassen sich viele Agenturen also wie gewünscht kurz und liefern, was der Kunde bestellt hat. Solche Agenturen leisten nicht selten gegen die eigenen Überzeugungen und tragen sodann die falschen Vorstellungen ihrer Kunden mit. Die Sache geht solange gut, bis die Kundschaft irgendwann selbst bemerkt, dass die Kosten für die Kundenakquisition, ohne die Impulse von solidem organischen Content-Traffic, aus dem Ruder laufen. Ein typisches Beispiel:

Ein Telefonat mit einer Expertin für Kommunikation brachte ihr, aber auch mir Ernüchterung. Technisch angelegte Inhalte, die nur Algorithmen und den Zielen von SEO-Anforderungen folgen, wirken nicht im Sinne von Premium-Content mit viralen Effekten. Bildquelle: photos.icons8

Einer dieser typischen Anrufe 

Während ich eines Tages routinemäßig vertieft an einem Fachbeitrag recherchiere und Quellen prüfe, die in den Beitrag einfließen könnten, werde ich aus meinen Gedanken über den Sinn und Unsinn des Content-Business gerissen. Ich schrecke auf. Ach, Telefon. 

Am Apparat die sympathische Stimme einer selbstbewussten Frau. Im Gespräch erfahre ich, sie sei Fachwirtin für Werbung und Kommunikation. Ihre Frage, ob ich einen Artikel über ihre Druckerei hier in diesem Magazin veröffentlichen kann, reizt mich gerade.

„Prinzipiell: worum geht es denn in dem Fachartikel?“, frage ich neugierig und kassiere die vermutete Enttäuschung: „Im Wesentlichen um Visitenkarten, also um Basisinformationen darüber“, erklärt mir die Expertin, die den Artikel selbst verfasst hat. Während des Telefonates erhalte ich die erbetene E-Mail mit einem Word-Dokument im Anhang. Ich lese quer:

„… Visitenkarten sind meistens im Format 55 x 85 mm angelegt und werden häufig auf festem Karton mit einem Papiergewicht von z. B. 300 g/m² oder stärker gedruckt … “ und weiter: „… können als Klappkarten …“ et cetera pp.

Ich werde direkter: „Darf ich fragen, warum sie diesen Beitrag verfasst haben?“, obwohl ich die Antwort in dieser Phase schon kenne. „Wir hatten ein konstruktives Brainstorming mit einer SEO-Agentur. Da haben wir diverse Begriffe für unsere SEO-Maßnahme analysiert“. Ich unterbreche: „Ok gut, kenne ich. Die SEO-Experten haben ihnen Keywords im Rahmen ihrer Kampagne anhand von irgendwelchen Charts und Analysen vorgegeben, richtig?“ Die fragende Antwort: „Ja, genau und ich arbeite das jetzt ab. Ich schärfe noch meinen Schreibstil, fange speziell mit Content-Marketing gerade erst an. Wie finden sie denn den Text?“

Jetzt kommt der weniger angenehme, aber bereinigende und notwendige Teil, denn an der Stelle erlaube ich mir die Frage: „Hand aufs Herz: würden sie denn diesen Text auch selbst vollständig lesen?“ Meistens, und das zeigt die couragierte Offenheit solcher Gesprächspartner, erfahre ich wenig verzögert, so oder ähnlich: „Ehrlich gesagt, vielleicht nicht ganz!?“

Jepp, Bingo! Strike! Eine wichtige Stufe auf dem Weg zu mehr inhaltlicher Qualität im Content-Marketing!

Algorithmus und Emotionen
sind im Content-Business zwei Paar Schuhe

Warum diese Gehässigkeit? Arrogant? Nein, sicher nicht, nur ehrlich analytisch.

In diesem Fall war der Schreibstil gar nicht das Problem, sondern der Inhalt. Solche Inhalte entstehen immer wieder, wenn technisch versierte SEO-Agenturen, die gerne auf Charts und Sichtbarkeits-Indizes starren, versuchen, kreativ zu sein. Ich verstehe ja, dass sie sich schon wegen der vorbeschriebenen Reaktionen der Entscheider als kreative Autoren gar nicht erst in Szene bringen möchten.

Aufwand und Nutzen lassen sich beim Elevator Pitch einfach nicht darlegen. 

Dennoch sollten sie wissen, dass Content rein technisch bewertet, im Sinne der kommunikativen Aufgabe, nicht funktioniert. Viele sprechen in dieser Disziplin über Automation, aber nicht einer hat einen stichhaltigen, verifizierbaren Nachweis erbracht, dass technischer, SEO-fixierter Content rentabel ist. Von den Kosten für SEO-Doings, IT, Analysen, Softwares etc. einmal ganz abgesehen.

Technologien sind Werkzeuge. Macher bleiben Menschen. 

Schon die Elevator-Pitch oder auch als Elevator-Statement bezeichnete Methode ist sowas von 90er-Jahre. 

Inhalte sind für Menschen, nicht für Maschinen

Google selbst empfiehlt mit Nachdruck, Inhalte doch bitte nicht technisch, für die Suchmaschine, sondern für Menschen, nämlich die eigenen Leser zu verfassen. Längst analysiert dort teils künstliche Intelligenz, ob Inhalte tatsächlich beliebt sind oder nicht, mittels Daten von Analytics und dem Chrome-Browser.

Die Resistenz gegenüber all dieser Fakten, hält sich wie eine fiese Grippe.

Damit der Glaube, irgendwann das perfekte, algorithmische Perpetuum mobile des digitalen Marketings zu besitzen.

Ich habe mir unentgeltlich die Zeit genommen, den Beitrag dieser Druckerei so umzugestalten, dass er nach wie vor dem Unternehmen nützt, gleichzeitig aber auch einen Mehrwert für unsere Leserschaft liefert. Es wurde eine Bildergalerie ergänzt, um Inspirationen zu liefern und wir haben die Story eines Anwenders erzählt. 

Mittlerweile tausche ich mich mit der Expertin regelmäßig aus und habe selbst auch viel Wissenswertes zurückbekommen. Der Blog ist, mit unserer anfänglichen Unterstützung, zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Längst schon verfasst die Expertin Inhalte in einem exzellenten Stil, von dem ich mir gerne mal was abgucke. 

Die Macht der Emotion 

Ich schreibe mir hier in diesem Magazin und als Gastautor die Fingerkuppen wund. Viele meiner Beiträge werden mit ausreichender Verweilzeit gelesen und zudem geteilt.

Mein Gefühl bleibt trotzdem, dass der Kampf zwischen einerseits IT bzw. Algorithmus, Pragmatismus, Automation etc. und anderseits den so dringend erforderlichen Emotionen, Talenten und echter Kreativität, immer noch zugunsten der Technokratie ausgeht.

Deutsche sind eben ein Werkzeug-Volk.

Sie glauben mir nicht?

Für diese These liefere ich handfeste Beweise. Indizien, die diesen epochalen Fehler des digitalen Marketings unterstreichen. Stichhaltige Belege dafür, dass Unternehmen mit Digitalisierungs-Schnickschnack Milliarden versenken. Vielleicht in der stillen Hoffnung, ihre Verantwortung einfach an Informatiker abgeben zu können.

Bei allem Verständnis für viele Investitionen in die Modernisierung und den technologischen Fortschritt, trauen sie sich im Content-Business viel zu wenig zu. 

Erst langsam erkennen Verantwortliche die riesigen Chancen, die sich durch eine intensive, direkte Kommunikation mit den eigenen Kunden bieten. 

Lesen Sie im nächsten Teil die Antwort auf die Frage: Kann ich Content?


Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche betreffende Bezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht. 
Jürgen Zietlow

Jürgen Zietlow

Autor, Blogger, Fachtexter

Seit 1998 Autor, Fachjournalist und Blogger | 2007 bis 2017 Chefredakteur vom Druckmagazin MEDIEN | seit 2010 Coach und Berater für Content-Marketing-Strategien | Entwickler der Content-Strategie- und Prozessmethode LineCore, basierend auf dem Mindmapping-Prinzip als Kreislaufprozess zwischen Ressourcen, Recherche, Redaktion und Reichweite.

1 Kommentar

  1. MM-Redaktion

    Hallo Herr Melder,

    vielen Dank für die Blumen. Wir versuchen so gut wie möglich, aus unserer Praxis zu berichten. Das kostet, wie Sie wahrscheinlich als Experte wissen, sehr viel Zeit. Um so schöner ist es, wenn man mal ein Lob erfährt.

    Antworten

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