„Bäume pflanzen ist gut, macht aber Unternehmen nicht klimaneutral!“

von | 2021 | Allgemein | 0 Kommentare

Bildquelle: Ralf Lokay, Geschäftsführer Lokay Druck e. K., Bild: Kollage von GPG GmbH

Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor dem Kühlregal im Supermarkt und vergleichen zwei Eissorten. Beide sehen gut aus, feines Bio-Eis Ihrer Lieblingssorte. Auf einer Verpackung steht „klimaneutral“, auf der anderen nicht. Welches kaufen Sie?

Ist „klimaneutral“ für Sie ein Verkaufsargument? Oder wittern Sie dahinter eher Greenwashing und sehen es sogar als Minuspunkt? Die Wettbewerbszentrale hat kürzlich Firmen abgemahnt, die irreführend mit dem Begriff „Klimaneutralität“ geworben haben. Dafür gab es viel Applaus und eine Kontroverse um den Begriff „Klimaneutralität“. Verständlich, dass die Diskussion hitzig geführt wird, denn Klima ist das Thema der Stunde – zu Recht!

„Klimaneutral“ ist das neueste Buzzword.

Fakt ist: die Klimakrise kann man inzwischen nur noch mutwillig ignorieren.

Rekorde bei Hochwasser, Hitzewellen, Waldbränden weltweit sprechen eine deutliche Sprache. Also bietet man seinen Kund:innen klimaneutrale Sneaker, Shampoos, Smoothies an. Das Versprechen: Du musst dein Leben nicht ändern, sondern im Regal nur ein paar Zentimeter weiter nach links greifen, dann ist alles gut.

Viele wittern hier Klima-Greenwashing. Die ersten Abmahnungen der Wettbewerbszentrale wegen irreführender Werbung haben in der ökosensiblen Branche eine Welle an Applaus und Empörung losgetreten.

„Klimaneutral“ waren die angeprangerten Firmen nur rein rechnerisch.

Tatsächlich wurden sehr wohl schädliche Emissionen ausgestoßen, das Unternehmen hat sie bloß durch Ausgleichsprojekte kompensiert.

So einfach und billig ist es nicht, argumentieren Kritiker:innen. Wer garantiert zum Beispiel, dass der Baum in Uruguay auch in 10 bis 20 Jahren noch steht, wenn er endlich CO2 in relevantem Maß aufnehmen kann? Vielleicht ist er vorher verkümmert, von Schädlingen vernichtet, gefällt oder abgebrannt?

Kompensationen und den Begriff „Klimaneutralität“ ab sofort mit Greenwashing gleich zu setzten – auch das ist nicht so einfach. Die Diskussion ist etwas komplexer. Es ist gut, dass Bäume gepflanzt werden! Viele Klimaschutzprojekte sind sinnvoll und wichtig und die Unterstützung solcher Projekte ist eine super Sache.

Aber sie sorgen eben nicht für „Klimaneutralität“ im eigentlichen Sinne. So gesehen ist der Begriff „Klimaneutralität“ ein Schwindel. Wenn nichts anderes passiert als Kompensation, ist das irreführend.

Bäume, die z.B. für klimaneutrale Sneaker gepflanzt werden, haben erst in vielen Jahren (wenn überhaupt), eine kompensierende Wirkung. Die Emissionen des Turnschuhs sind dagegen real und für durchschnittlich 120 Jahre in der Atmosphäre.

„Was ist klimaneutral? Was für ein Blödsinn neutral sein zu wollen. Kein Baum ist klimaneutral.“

Michael Braungart, Initiator des Cradle-to-Cradle-Konzepts.

Verbraucher:innen fragen nach „klimaneutralen Produkten“ und das führt dazu, dass Anbieter auf den Zug aufspringen und billige Klimaneutralität verkaufen – und das ist ein Grund zum Ärger! Deshalb finde ich es richtig, dass die Wettbewerbszentrale solche Firmen wegen irreführender Werbung abmahnt.

Kompensationen dürfen nicht als Ausrede missbraucht, aber auch nicht pauschal geächtet werden.

Klimaneutral, Abmahnung

Das schwedische Outdoor-Label Haglöfs ist rein rechnerisch klimaneutral. In der Kommunikation zeigt das Unternehmen aber transparent, dass das noch nicht alles ist. Quelle: Haglöfs (2021)

Ich habe mal grob ausgerechnet wie viele Kompensationsprojekte man bräuchte, um die CO2-Emissionen der ganzen Welt auszugleichen. Dafür habe ich das strengste Zertifikat herangezogen, den „Gold Standard“ und dessen Erfolge von 2019, bevor Corona die Welt durcheinandergewirbelt hat. Rund 900 Projekte haben sie in einem Jahr gefördert, kontrolliert und begleitet, und 18,2 Mio. Tonnen schädliche Klimagase reduziert und ausgeglichen. Das ist die Größenordnung der Emissionen von Ghana. Deutschland lag im selben Jahr bei 644 Mio. Tonnen. Um die Klimagase eines einzigen Jahres weltweit auszugleichen, bräuchte man hochgerechnet also 1,8 Millionen Projekte! Das zeigt, dass Unternehmen nicht allein auf Kompensation setzen dürfen.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir Unternehmer:innen vor unserer eigenen Firmentür anfangen, CO2 zu vermeiden!

Wir fahren bei Lokay schon seit über 10 Jahren eine konsequente Klimastrategie und haben uns intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Wo immer es uns möglich ist, vermeiden wir Emissionen. Und nehmen dafür – wie bei unserer energetischen Sanierung vor einigen Jahren und der Anschaffung klimafreundlicher Druckmaschinen – auch schon mal siebenstellige Beträge in die Hand. Oder investieren Zeit und Mühe in eigene Zertifizierungen nach EMAS, dem Blauen Engel (RALUZ 195) oder Cradle to Cradle. Kompensation ist billiger und leichter. Aber sie reicht eben auch nicht aus, um unsere Welt zu retten. Sinkende C02-Emissionen bei Lokay: Wir verbessern uns stetig:

Klimaeinsparung bei der Druckerei Lokay

Sinkende C02-Emissionen bei Lokay, mit einer stetigen Verbesserung. Quelle: Lokay e. K.

Bereits 2007 haben wir im Projekt „Klimapartner“ unsere Emissionen so genau wie möglich ermittelt und seither über 90% davon eingespart. 100% Ökostrom, Nutzung der Abwärme unserer Druckmaschinen und modernste Produktionstechnik sind Maßnahmen, die unseren C02-Ausstoß tatsächlich verringern.

Und trotzdem fördern wir Klimaschutzprojekte! Beispielsweise beim Warenversand – da kompensieren wir. Wir machen mehr als die meisten, müssen aber auch noch einige Schritte gehen, bevor wir komplett emissionsfrei produzieren.

Wir haben intern schon zahlreiche Diskussionen über „wahre“ Klimaneutralität“ geführt und es freut mich, dass der kritische Diskurs jetzt auch in der Öffentlichkeit angekommen ist.

Wir reflektieren immer wieder unseren Umgang mit dem Begriff, sinnieren über den Kauf von C02-Emissionsrechten und die Vision einer eigenen lokalen Stromerzeugung. Eine perfekte Lösung haben wir dabei noch nicht gefunden. Dafür aber eine Strategie, die zu unserer Position passt, und den Willen, uns immer wieder selbst zu hinterfragen. Wir möchten Transparenz bieten und den Begriff nicht ohne Erklärung verwenden. Ganz verzichten werden wir auf den Begriff nicht. Denn wenn wir stattdessen einfach „klimabewusst“, „klimafreundlich“ oder „im Wesentlichen klimaneutral“ sagen, kommen wir vom Regen in die Traufe.

Und als Unternehmen mit Vorreiter-Klimastrategie, die wir natürlich auch gerne zu Werbe- und Inspirationszwecken kommunizieren wollen, kommt man schwer an dem Thema vorbei. Die Menschen suchen nach „klimaneutralen“ Produkten. Aber wir wollen dazu erklären: Wir sparen ein und ja, wir kompensieren.

Ralf Lokay

Ralf Lokay

Geschäftsführer Druckerei Lokay e. K.

Ralf Lokay produziert seit über 25 Jahren nachhaltige Druckprodukte auf nachhaltigem Toplevel, für Kunden aus ganz Deutschland. Sein Unternehmen zählt in der D/A/CH-Region zu den 20 umweltfreundlichsten Druckereien, vgl. UmDEX/print.

Das Produktionsgebäude sowie die Produktionsanlagen in Reinheim wurden vollständig umweltfreundlich, nach modernsten Kriterien des Umweltschutzes sowie energieeffizient, saniert.

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