Gerade im Umfeld der digitalisierten Welt entstehen Websites, Blogs, Communities und Shops, deren Inhalte und Angebote eine Hommage an analoge Medien sind. Wie passt das denn zusammen? Digital publizieren, Analoges lieben?

Digitale Mockups imitieren analoge Welten?

Ob Adobes Portfolios auf Behance oder Pinterests Pinnwände, um nur zwei Beispiele zu nennen: Dort beispielsweise entstehen Mockups, die Drucksachen huldigen. Mockups sind fotorealistische Szenen, auf denen Drucksachen z. B. auf einem edlen Tisch liegend zu sehen sind. Sieht aus wie echt und frisch fotografiert und dennoch sind dies doch nur digitale Träume analoger, echter und teils grandios veredelter Drucksachen:

Abbildungen von gar nicht real produzierten Drucksachen. Dennoch zum Greifen nahe erkennbar: feinste Laserstanzungen, Blindprägungen, Folien und sonstigen Effekte, zudem beispielsweise auf edlen Substraten produziert. Auch das zweite Hingucken offenbart meistens nicht, dass gerade keine echten Fotos von real produzierten Drucksachen entstanden, sondern die Abbildungen rein digitale Fiktionen sind.

Wunderbar, wie sehr eine an die digitale Welt verloren geglaubte Generation Analoges liebt.

Bleiben Sie doch bitte ruhig!

Denen, die sich gut konditioniert oder wirtschaftssozialisiert als konsequente Gegner jeglicher Kritik, egal über was oder wen, so engagiert in Szene setzten und somit auch keinerlei Kritik am Digitalen auch nur im Ansatz akzeptieren mögen:

Bitte keine Atemnot, wenn ich einmal kritische Töne über Digitales von mir gebe, ja?

Ich selber bin digital begeistert. Also bitte: Entspannen Sie doch!

Schrecklich! Wunderbar!

Mein tägliches Umfeld ist perfekt vernetzt. Mein Smartphone, mein Notebook, der Desktop-Rechner – alles ist eins. Ob Messenger, Instagram, Skype, Facebook, WhatsApp, Twitter Linked-in, Xing und so weiter: Alles interagiert mit allem. Fast im Minutentakt ein anderer Ton für irgendein Ereignis, z. B., dass Ralf Mustermann sich ab jetzt die Nase dreimal täglich putzt oder wieder einmal sein was auch immer für ein Bild gewechselt hat.

Ich diktiere Texte im Auto, lasse mir E-Mails und sonstige Dinge während der Fahrt vorlesen und könnte mir meinen Alltag ohne diverse Clouds im Netz gar nicht mehr vorstellen. Die nutzen wir für unser Kundenmanagement, Rechnungs- und Angebotswesen, zum managen von Media-Assets und so weiter: beispielsweise Adobes Creative-Cloud, Windows 10 und Office 2016 mit Onedrive und Sharepoint mit vielen Terabytes Speicherplatz.

Perfekt „Cloudability“ das alles! Schrecklich! Wunderbar!

Kognitive Dissonanz. Ich bin wenigstens ehrlich, diesen übertriebenen Faible zuzugeben und damit zugleich kompetent, wenn es darum geht, Digitales zu kritisieren. Der Weg zur Selbsterkenntnis führt über konstruktive Selbstkritik und wohl kaum über bedingungslosen Nutzungskonsum ohne jedes Hinterfragen.

Helle Begeisterung der Generationen Y und Z

Zurück zu den Mockups: Wer hätte mit dieser Begeisterung für Begreifbares, für Medien aus dem Diesseits seitens der E-Junkie-Generation gerechnet? Viele reiben sich da überrascht die Augen: Unsere digitale Generation ist verrückt nach Analogem. Fühlen, begreifen, hergeben, überreichen. Zeigen, was geht.

Zeigen, was geht? Beispielsweise Informatikern, dass es eine Domäne gibt, die Fantasie, Emotion und Bauchgefühl statt Code bedingt: made by Homo sapiens.

Veredelte Drucksachen mit markanten Alleinstellungen und knackigen, realen Marketingvorteilen im Vergleich zu Medien im digitalen Drumherum. Kreative Gesamtarchitekturen brauchen Menschen, brauchen Ideen, brauchen Fantasie damit die Botschaft über alle Medien hinweg präsentiert werden kann und überall so funktioniert wie sie soll. Das ist mehr als ein isoliertes Design, rasch über einen Online-Druckdiscounter ohne weitere kreative Gestaltungsmöglichkeiten bestellt. Gut so!

Digitale Helfer für echte Kreativität

Natürlich ist das Digitale dann auch präsent, verdrängt aber nicht: Adobes Creative Cloud mit rund 20 Applikationen, Digitalkameras, Zeichentablets, Smartphones, zig Open-Source-Applikationen, spannende Websites, kreative Communities und vieles mehr.

Leidenschaft der digitalen Generation

Genial, mit welcher Leidenschaft Reales imitiert, geradezu geliebt wird. Da werden Szenen in Photoshop konstruiert, wo edle Visitenkarten, gedruckt auf einem schweren Karton zu sehen sind, die wie zufällig auf einem Designer-Glastisch neben einem MacBook liegen und die Blicke auf sich ziehen. Jedes noch so kleine Detail ist zu erkennen. Die Szenen sind häufig realer als real, z. B. bei Drucksachen mit tiefer Reliefprägung und partieller Heißfolie veredelt, gestanzt und in einer bewusst asymmetrisch Form geschnitten.

Wow, Designporn!

Der Homo sapiens ist gewaltig kreativ

Schauen wir auf die Domäne des Homo sapiens! Seinen Geist, seine Fantasie, seine geradezu ehrfürchtige kreative Kapazität. Arrangieren wir uns hier mit dem Digitalen. Bei Kreation hat sich der Mensch das Digitale zum Instrument gemacht, um seinem kreativen Potenzial Ausdruck zu verleihen. So entstehen heute Werke, die vor 20 Jahren nicht denkbar waren. Hier offenbart sich die Digitalisierung als konstruktiv – als Mehrwert durch Menschwert.

Menschliche Kreativität vs. KI?

Anders beim Thema Industrie 4.0, wo Digitalisierung, Rationalisierung und Personalabbau regieren – eher destruktiv statt konstruktiv. Schon innerhalb der kommenden zehn Jahre werden, als „Industrie 4.0“ etikettiert, Arbeitsplätze durch Automation und Roboter in dramatischer Zahl ersetzt.

Ob Humanoiden oder Androiden mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) selbst die Einzigartigkeit der menschlichen Fantasie imitieren können, wird die nächste Generation zu klären haben. Aber schon diese Generation wird diesen extremsten aller Wandel hautnah miterleben. Schon in wenigen Jahren. Wer hinsieht, erkennt diesen Trend bereits klar und deutlich.

Derzeit jedenfalls vermögen Apparate nicht, den kreativen menschlichen Geist zu ersetzen, wenn auch bald fast alles andere. Die Fantasie, diese Einzigartigkeit des Homo sapiens ist oder wird wohl schon in wenigen Jahrzehnten die einzige Abgrenzung zum ansonsten durch und durch menschlich anmutenden Humanoiden, wie die fünf Beispiele des nachfolgenden Videos zeigen, wobei diese Bilder schon Technologien der Vergangenheit sind und vor fünf bis sieben Jahren bereits entwickelt wurden:

Euphorische Begeisterung für die Digitalisierung

Die digitale Euphorie nimmt derzeit fast schon hysterische, manchmal fast lächerliche Ausmaße an. Alles wird über einen Kamm geschoren. Lernen wir, den Lärm der Digital-Industrie zu filtern. Differenzieren wir!

Die Liebe zum Analogen, dieses „back to the Roots“ in der Werbung, zurück zum Druckwerk, ist gerade bei der jüngsten Generation entfacht, während die Älteren, ab 45-Jährigen noch „cool“ sagen und meinen, es zu sein, wenn sie jeden digitalen Industrietrend aufgeregt propagieren, sogar, wenn sie ihn selber gar nicht verstehen. Sie posten Dinge in den sozialen Medien und wissen gar nicht warum oder was. Wohl einfach, da es alle tun. Komisches Argument, finde ich.

Gut für Premium-Druckereien

Ob Pinterest, Instagram, ob Dribbble oder Behance:

Echte Individualität wird ein Milliardenmarkt. Auch in der Druckbranche.

Made by Homo sapiens als Nische

Made by Homo sapiens! Eine große Chance für Individualdruckereien. Weniger für „Mass Customization“ – auch so ein schreckliches, albernes Trendwort, das mich an die kurzfristig und auch exzentrisch glorifizierten Beton-Bausünden der 60er und 70er Jahre erinnert.

Einige greifen ganz aufgeregt Buzzwords auf und wollen jetzt Individualität industrialisieren, bzw. automatisieren.

Echte Individualität lässt sich nicht automatisieren. Made by Homo sapiens wird zum Qualitätsmerkmal.

Mediendienstleister mit Premiumleistungen und besonderen Drucksachen im Portfolio erleben eine Renaissance. Ich freue mich für die Druckbranche und auf viele weitere genial gemachte Produktionen, die wir hier künftig vorstellen werden. Auch Studien über Responsequoten, über digitale Flüchtigkeit und Euphorien, über Lächerlichkeiten, gleichwohl aber auch über die Gefahren, die KI (Künstliche Intelligenz) an ganz anderer Stelle mit sich bringt.

Ich freue mich ein kleines bisschen auf diese Momente, wo mir Printbuyer wieder Drucksachen vom Discounter in die Hand drücken und mir schon die Mimik verrät, wenn ich meine Letterpresskarte vom Anbieter mit viel Expertise und Handarbeit herzeige, der sich zudem noch kümmert und seine Leute fair bezahlt:

„Ich weiß, das war billig, ist ungelabelt und eigentlich ein Beleg für meine Fantasielosigkeit und von peinlichem Geiz – hätte ich doch bloß eine wertigere Drucksache mit Statement und Fantasie, eine echte kreative Architektur überreichen können […].“ 

Tja, hätte er, hat er aber nicht und damit einen Teil seiner Einstellung, seiner Ideologie verraten. Gemein und gewohnt bissig formuliert:

Mitläufer, Geizkragen, Standard, angepasst, uninteressant.

Gedrucktes Einerlei: Das geht für bestimmte Zwecke. Mit zunehmender Digitalisierung werden analoge Medien aber umso mehr zur Messlatte von Stil, Charakter und Verantwortungsbewusstsein. Sie prägen das gesamte Image.

Massenware wird bei bestimmten gedruckten Medien immer häufiger quasi zur „expressio non grata“.

Wer hätte das gedacht!?