Local, special, sustainable!
Nischen- bzw. Special-Interest-Magazine sind oft Projekte von kleineren Verlagen oder Publizist:innen. Die Aufwände sind mit denen von großen Flaggschiff-Magazinen vergleichbar, doch die Budgets und Teams ungleich kleiner. MY ODENWALD ist ein Beispiel dafür, wie gut Print mit den richtigen Inhalten funktioniert und warum die analoge Mediengattung immer dann oft sogar alternativlos ist.
Wie entsteht ein erfolgreiches, mutliperspektivisch nachhaltiges Special-Interest-Magazin wie „MY ODENWALD“? Bevor die Druckmaschinen bei der Druckerei Lokay e. K. anlaufen konnten, rollte sich ein ganzes Universum an Aufgaben aus. Trotz dieser Aufwände boomen gedruckte Independent-Titel.
Wie gelingt uns beim Kochen ein grandioses Menü? Das A und O sind die Zutaten, gefolgt von der richtigen Zusammenstellung und Dosierung sowie dem Geschick bzw. der Kreativität bei der Zubereitung. Eine exzellente Mahlzeit soll zudem appetitlich hergerichtet und dekorativ serviert werden. Ohne Leidenschaft, keine Chance.
Dieses Beispiel über die uns bekannten Aufwände beim Kochen soll ein grobes Gefühl vermitteln, was es bedeutet, ein Fachmagazin zu initiieren. Um bei diesem Vergleich zu bleiben, müssen Publizist:innen nicht nur die richtigen Zutaten optimal zusammenstellen bzw. dosieren und diese kreativ zubereiten, sondern davor überhaupt erst einmal das gesamte Kochgeschirr selbst herstellen – ja sogar sämtliche Zutaten eigens erschaffen.
Um ein erfolgreiches Independent-Magazin zu kreieren, braucht es die Lust und Leidenschaft wie beim Kochen, Fleiß, Kreativität, Fachkenntnis, Fantasie und viel Geschick darin, diese Assets interdisziplinär zu verbinden.
Das Magazinbusiness bringt unvorstellbar viel Arbeit mit sich – doch im Gegensatz zu den bekannten Flaggschiffen im Magazinmarkt, die von großen Verlagen mit all ihren Redakteuren, Fotografen, Lektoren und Automationen entwickelt und vermarktet werden, beginnen kleinere Publizist:innen nach der ersten Idee mit nicht mehr als einer Vision: Bilder, die sich vor dem inneren Auge abspielen und sich sodann, im besten Fall, zur Geburtsstunde von bisher nie dagewesenen Themen- bzw. Medien-Universen manifestieren.
Special Interest Magazin: MY ODENWALD
Petra Arnold hat so ein Universum erschaffen. Die gelernte Fotografin, Schwerpunkt Portrait- und Reportagefotografie kommt aus der Old-School-(Analog) und S/W-Fotografie und hat viele Eindrücke und Erfahrungen in San Francisco gesammelt – dort hat sie auch eine Weile gelebt. Geerdet ist sie aber in ihrer Heimat, dem Odenwald. Ihre Leidenschaft für die Fotografie ist auch das Fundament für das heimische Magazinprojekt gewesen. Emotionale Bilder sind hier eine tragende Säule. Beim Fotografieren sind Kreativität und Talent ohne Expertise kaum denkbar. Die Symbiose aus Hard- und Soft Skills ist zwar nicht alles,
aber ohne solides Handwerk plus den richtigen Instinkt, ist beim Fotografieren alles nichts.
So auch im Magazinbusiness. Viele Aufgaben greifen hier ineinander oder müssen parallel erledigt werden – bevor überhaupt einmal die Druckmaschinen anlaufen können. Zu diesen Schritten gleich mehr, nach einem Blick auf den Druckprozess:
Wo und wie drucken?
Mittlerweile sind zwei Ausgaben entstanden, jeweils circa 100 Seiten umfassend, im Format DIN A4, mit je 10.000 Stück Auflage – das aktuelle wurde und die künftigen werden bei der Druckerei Lokay e. K. (Reinheim) produziert. Das Unternehmen ist eine der nachhaltigsten Druckereien in der DACH-Region, ein Pionier der Nachhaltigen Medienproduktion. Das Unternehmen bietet hochwertig zertifizierte, nachhaltige Drucksachen auch über seinen Internetshop „umweltdruckerei“ an. Das Magazin MY ODENWALD ist jedoch ein Special-Print-Auftrag.
„Ist das Magazin auch auf Recyclingpapier gedruckt?“
Diese Frage wird häufig reflexartig gestellt. Das suggeriert, was auch Greenwasher leider immer wieder gerne propagieren: wenn wir auf Recyclingpapier drucken, ist alles im grünen Bereich! Stimmt das? Nein, so pauschal leider nicht!
Viele sogenannte „Umweltdruckereien“ werben zumeist mit der Verwendung von Recyclingpapier, so gewünscht. Daneben mit Ökostrom, der nur selten hochwertig zertifiziert ist, mit dem CO2-Ausgleich von Druckprodukten sowie mit FSC. Zwar sind das gute Schritte, nur:
Wenn solche Druckereien ansonsten keine nachweisbaren Anstrengungen im Umweltschutz unternehmen, sind diese Recyclingpapier- und Klimaneutral-Argumente obsolet.
Das wäre so, als würden wir einen tonnenschweren, 450-PS-SUV fahren und parallel verkünden, dass wir im Rahmen des Klimaausgleichs Waldaufforstungsprojekte in Ruanda unterstützen. Wir zahlen also für eine vorsätzlich begangene und absolut vermeidbare Klimaschädigung. Damit wird Klimaneutralität zu einem Ablasshandel.
So ist es auch, wenn Druckereien zwar die vorgenannten Basis-Assets der Nachhaltigkeit anbieten, sich aber ansonsten in ihrer Produktion kaum um Nachhaltigkeit bemühen: etwa um staatliche und offizielle Druckproduktzertifikate wie den Blauen Engel DE-UZ 195 oder um ganzheitliche Umweltmanagementsysteme wie EMAS, DIN ISO 14001, 50001 und weitere Assets, wie sie Lokay e K. anbietet. Der Umweltexperte und UmDEX-Fachjournalist Guido Rochus Schmidt hat in seinem Fachbeitrag „Umweltdruckerei – ein Begriff zum Kundenfang“ dezidiert zusammengefasst, welcher Methodik sich Greenwasher bedienen.
Und das Papier?
Recyclingpapier ist eine hervorragende Wahl – und Frischfaserpapier ist eine hervorragende Wahl! Jedenfalls dann, wenn Druckdienstleister, analog zu denen der UmDEX-Klasse, generell auf höchstem Niveau und ganzheitlich nachhaltig produzieren und mehr als nur Basis-Umweltschutz anbieten. Da nicht jede Druckerei offiziell zertifizierten Ökostrom anbietet und der Anteil von gesamt bedrucktem Recyclingpapier nur selten 25 Prozent übersteigt, erreichen konventionelle Druckereien häufig nicht einmal 50 Prozent der möglichen CO2-Einsparpotenziale – trotz der vorgenannten Basics im Umweltschutz. Fazit:
Es ist signifikant nachhaltiger, Frischfaserpapier bei einer professionell, offiziell zertifiziert nachhaltigen Druckerei wie Lokay e. K. bedrucken zulassen als Recyclingpapier beim Greenwasher um die Ecke.
Das Optimum bleibt zwar in den meisten Fällen der Druck auf einem Recyclingpapier. Vergessen wir aber nicht, dass es ohne Frischfaserpapiere kein Recyclingpapier gäbe. Papier wird generell aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen. Für Papier werden vornehmlich Durchforstungshölzer, keine Stammhölzer, verwendet. Das Supply-Chain-Management, die Kontrollen der Lieferketten, wird laufend optimiert. Institute wie das Thünen Institut für Holzforschung werden immer häufiger beauftragt, um Herkunftszweifel auszuräumen. Papier kann sich auch im CO2-Emissionsvergleich mit digitalen Medien meistens messen, nicht selten sogar mit weit besseren Ökobilanzen.
Die Wirkung ganzheitlich nachhaltiger Produktionen
Das Special-Interest-Magazin MY ODENWALD liefert ein gutes Beispiel dafür, welche positiven Umwelteffekte in einer ganzheitlich nachhaltigen Druckumgebung wirken können, die für den Druck bei der Lokay e. K. zu tragen kommen:
- Aufgrund der Zertifizierung diverser Druckprodukte mit dem speziellen Blauen Engel für Drucksachen DE-UZ 195, ist die gesamte, unmittelbare Produktionsumgebung der produzierenden Druckerei, so auch bei Lokay, generell nachhaltig kalibriert.
- Druckereien auf diesem Niveau produzieren zumeist alle Drucksachen entsprechend nachhaltig, selbst dann, wenn spezielle Druckprodukte nicht mit dem Blauen Engel DE-UZ 195 ausgezeichnet sind, zum Beispiel, da sie auf Frischfaserpapier hergestellt wurden.
- Dennoch sind auch bei solchen Druckprodukten die Reduktion bzw. Vermeidung von Alkohol im Druckprozess, chemiefreie Druckplattenbelichtungen, weniger und weniger schädliche Druckhilfsmittel, ein strenges Abfallkonzept, die Verwendung von ökologischen Druckfarben und einiges mehr häufig bereits inkludiert.
- Druckereien auf UmDEX-Niveau agieren auf Basis von Umweltmanagementsystemen – Druckerei Lokay ist nach EMAS zertifiziert (Eco Management and Audit Scheme, Gemeinschaftssystem der Europäischen Union).
- Lokay erfasst also per se sämtliche Umweltdaten aus allen relevanten Abteilungen, wird regelmäßig von staatlich autorisierten Personen auditiert bzw. revalidiert, verpflichtet sich zur steten Optimierung in allen Unternehmensbereichen und stellt regelmäßig Umweltberichte öffentlich zur Verfügung.
- Das Papier für den Druck des MY ODENWALD-Magazins wurde aus der Region bezogen, von IGEPA aus Dieburg und in Niedersachsen hergestellt – relative bzw. sehr kurze Lieferwege waren garantiert.
Diese Assets zahlen bei Druckereien dieser Klasse auf sämtliche Druckaufträge ein.
Der weite Weg bis zum Druckprozess
Wir haben die Publizistin Petra Arnold angerufen – abgesehen vom Druckprozess, wollten wir mehr über den Aufwand und ihre Motivation wissen.
„Viele Aufgaben sind bei einem jungen Magazin erst mal in Eigenregie zu lösen“,
sagt sie auf die Frage nach ihrem Team. Ihr läge das Managen interdisziplinärer Aufgaben im Blut. Möglichst viel selbst zu machen, sei aber zumindest bislang noch erforderlich.
„Das Feedback bei den Adressaten und Protagonisten ist überragend. Das ist eine enorme Motivation!
Allzu üppige Personalkosten könne ein gerade begonnenes Special-Interest-Medienprodukt nicht tragen, sagt Petra Arnold. Aber ganz allein geht es dann doch nicht: „So ein Projekt benötigt externe Unterstützer:innen. Ganz besonders dankbar bin ich der Familie Jöst von Jöst Abrasives, die mich beim ersten Magazin sehr unterstützt haben. Für gute Inhalte und eine professionelle Produktion braucht es aber auch viele qualifizierte Hände wie Journalist:innen bzw. Texter:innen, Fotograf:innen, Layouter:innen, Medienplaner:innen, Distributor:innen, Akquisiteur:innen und natürlich auch Druckexpert:innen. Bisher stemmen wir das mit einem Team aus freiberuflichen Kräften. Für die Zukunft sind Festanstellungen avisiert.“
Auch aus Kostengründen entschied Petra Arnold, die ersten Magazine zwar in einer top nachhaltigen Produktionsumgebung und auch regional drucken zu lassen, aber vorerst auf einem Frischfaserpapier, denn Recyclingpapier hätte rund 10 bis 15 Prozent mehr gekostet. Aufgrund dieser Aufpreise verzichten immer noch rund 90 Prozent aller Printbuyer:innen auf Recyclingpapier. Darum hat die Brancheninitiative UmDEX Anfang 2021 die Kampagne Subventionspaket Blauer Engel (KSB) mit dem Ziel initiiert, Recyclingpapiere zu subventionieren, um die Mehrpreise für Printbuyer:innen auszugleichen.
Wie entsteht ein Independent-Magazin?
Nach der eingangs erwähnten Idee, dem groben Aufriss und einer Machbarkeitsanalyse, beginnen die vorbereitenden Schritte:
- Konzept: Wie kann die vermutete Leserschaft optimal informiert und begeistert werden?
- Design: Entwicklung von Layout, Typo und Struktur (Inhalt, Impressum, Kapitel, Aufteilung),
- Auswahl von Materialien, Formatierung (Bindeart, generelles Format, Umfang).
Diese Startphase triggert diverse weitere Aufgaben, z. B.:
- Themen finden, Themen gewichten,
- Stories recherchieren, Interviews vereinbaren und führen,
- Fotos vor Ort machen, bearbeiten und veredeln,
- passende, griffige Stories im richtigen Umfang und mit der richtigen Tonalität verfassen,
- nebst Freigaben, Lektoraten und dem finalen Satz.
Petra Arnold hat die Protagonist:innen der verschiedenen Stories persönlich besucht, und auch viele Bilder, besonders die von Menschen, selbst fotografiert.
Nachhaltig ist, was regional ist
Warum es Petra Arnold so wichtig war, eine zertifiziert nachhaltige Druckerei aus der Region zu finden, erklärt sich durch einen Blick ins Magazin: In vielen Beiträgen klingt die Nachhaltigkeit direkt oder indirekt mit. Zum Beispiel im Beitrag „Der grüne Leuchtturm“: hier geht es um den regional ansässigen Hochdruckschlauch-Hersteller SPIR STAR, dessen Standort von wildwachsenden Blumenwiesen umgeben ist, aber auch um das generelle Umweltengagement des Industrieunternehmens. Oder im Beitrag „Evolution Live“, über die Sektionsleiterin Paläontomologie Sonja Wedmann (Senckenberg, Forschungsstation: Grube Messel), die die in der Odenwald-Region professionelle, fossile Insektenkunde betreibt. Faszinierend auch die kleine Naturfotoserie des Naturfotografen Rainer Schimpf, im Fachbeitrag über ihn und seine Frau Silke: „Back to the Roots“.
Auch in diversen Reportagen schwingt die Nachhaltigkeit mit, etwa im Beitrag über das Freilandmuseum Gottersdorf „Die gute alte Zeit“ oder die größte Whisky-Destille Deutschlands in St. Killian „Whisky Baby“, wo ausgezeichnete Whiskys nach schottischem Vorbild auf Weltklasseniveau destilliert werden. Daneben erzählen die Autor:innen fesselnde Geschichten über Menschen und deren kleinen Unternehmungen, direkt aus der unmittelbar greifbaren Nähe: etwa über den Kuhhirten Leon Scholl in der Story „Cowboy vom Odenwald“ oder in „The Wild Side“, über die Bison-Züchter Matthias und Darina Berg.
Himalaja oder Katzenbuckel?
Beim Stöbern im Magazin wird eines überdeutlich: Es grenzt schon beinahe an eine Sünde, dass Menschen von hier den Himalaja ersteigen, die häufig echte Weltklasse-Attraktionen im ihrem eigenen Lebensumfeld kaum kennen – und das, während sich in der Odenwald-Region Reisende aus aller Welt einfinden, um ebendiese Orte gesehen zu haben.
Die Fülle, Emotionalität und Hochwertigkeit der Reportagen lassen sich an dieser Stelle kaum würdig demonstrieren. Wir empfehlen einen Blick auf die Website. Ein Klick auf die Bilder der Startseite führt zu weiteren, eindrucksvollen Bildern zu den regionalen Stories.
Der grüne Faden
Das Independent-Magazin ist multiperspektivisch nachhaltig: Die Themen, das Mission Statement: Lust auf die Erkundung der Region, die Drucksache an sich und die Nutzungsweise des Mediums.
Jeder Beitrag lädt ein, die eigene Region zu erkunden,
lokale Orte zu besuchen und, ganz nebenbei, auch die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Diesem Ruf dürften Tausende Leser:innen folgen – eine unschätzbar wertvolle Einzahlung auf das Klimakonto der Welt.
Daneben ist MY ODENWALD auch als Medium selbst nachhaltig, denn
das Magazin ist ein hochwertiges Nachschlage- und Sammelwerk.
Die Themen und Reisetipps sind optimal sortiert und strukturiert, emotional bebildert und zeitlos – jedes Magazin findet mehrere Leser:innen.
Apropos Leser:innen. Das Adressieren an die richtige Zielgruppe, die Distribution, nebst Verwaltung von Stammlesern und das Organisieren von Auslagen, sind weitere elementare Todos, neben der Akquise von Werbekunden.
Lücke geschlossen
Das Local-Independent-Magazin liefert Stories über eigensinnige und/oder prominente Unternehmer:innen vor Ort, regionale Spezialitäten, außergewöhnliche Restaurants und/oder Hotels, Kunst- und Kulturstätten, Theater, Städte und mystische Orte der Region. Über besondere Naturregionen und Sehenswürdigkeiten, spezialisierte Einzelhändler:innen, Künstler:innen und weitere engagierte, verdiente und skurrile Menschen:
Leser:innen staunen zwangsläufig darüber, wie viel große Welt sich oft nur ein paar Kilometer entfernt entdecken lässt.
„Wir haben so viel noch gar nicht erzählt – die nächsten Magazine sind bereits in Arbeit“,
sagt Petra Arnold.
Jürgen Zietlow
Unternehmensberater für nachhaltige Kommunikation
Fachjournalist, Umwelt-Lobbyist | 2005 bis 2017 Chefredakteur Magazin MEDIEN | seit 2010 Analyst für nachhaltige Kommunikation, Social Monitoring/Media | Entwickler LineCore-Methode® (Recherche-/ Redaktionssystem).
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