„Ich sende Ihnen rasch eine digitale Visitenkarte, ich habe gerade keine gedruckte zur Hand.“ So entschuldigte sich mein Gesprächspartner kürzlich nach einem Geschäftsessen. „Natürlich, kein Problem“, erwiderte ich, wenn auch nicht ganz ehrlich. Mein erster Gedanke: Praktisch. Praktisch? Was hat mir mein Gegenüber in diesem Augenblick über sich selber verraten, ein Autor und kreativer Texter?
Was denken Sie? Wie wäre Ihr Bauchgefühl dabei gewesen? Vielleicht, dass niemand mehr eine gedruckte Karte braucht!? Oder Adressdaten viel effektiver digital übermittelt werden können?
Für mich hat sich dieser emotionale Moment nicht derart rational angefühlt – eher steril, emotionslos und auf das Nötigste beschränkt. Rational = gut? Ja, manchmal und in bestimmten Wertschöpfungs-Prozessen vielleicht, aber nicht immer – selbst für die nicht, die ansonsten alles auf Effizienz setzen. Schauen wir uns einfach im Restaurant um.
Kalte Suppe genügt?
Diesem rationalen Prinzip folgend, hätten auch die Suppe nicht zwingend warm serviert werden müssen – so hätte Energie und Zeit eingespart werden können. Die Vase auf dem Tisch? Die Dekoration oder das Mobiliar? Überhaupt das gesamte Interieur des Restaurants: Dem Prinzip von Effizienz folgend alles reiner Luxus. Schnickschnack. Die liebevoll dekorierten Speisen? Verbessern weder ihren Nährwert noch den Geschmack.
Schon richtig: Faktisch sind gedruckte Visitenkarten zur Übermittlung von Adressdaten durch digitale Transfers ersetzbar. Emotional nicht – nicht ohne sehr gewichtige Chancen zu verspielen, so wie sie der Koch sicher aufs Spiel setzte, würde er nur gut kochen, die Speisen aber pragmatisch lieblos dekorieren.
Ideen, statt Polarisierung
Dieser Tage wird viel über die Zukunftsfähigkeit von Print diskutiert. Was kann Print überhaupt noch besser als Digital? Wo können analoge Medien durch digitale theoretisch oder praktisch ersetzt werden? Welche Schnittmengen gibt es zwischen der analogen und der digitalen Welt? Fragestellungen, die unsere Redaktion im Umfeld der Digitalisierung immer wieder beschäftigen.
Digital Euphorisierte polarisieren gerne sofort darauf los, sobald sie auch nur die leiseste Kritik an der Digitalisierung finden. Manchmal berührt mich das peinlich. Immer wieder finde ich Blogs, initiiert von Typen so etwa in meinem Alter, die begeistert auf die Digitalisierung schwören. Das ist erstmal gut. Manchmal wünschte ich mir aber mehr Kontroverse. Viele Influencer (Blogger) beschränken sich zunehmend auf das Weiterleiten bereits bestehender Fachartikel über Kanäle wie Twitter. Abgesehen von 140 Zeichen, sonst keine Reflexion.
Dabei braucht es keine Schwüre, um im Becken der jungen Haifische zu bleiben, liebe Berater, Kollegen oder Blogger, sondern nur mehr Differenzierung. Seien wir Stimme, kein Echo, reposten wir nicht nur Ideen anderer. Zitieren wir nicht nur einfach den nächsten Trend – denken wir selber, stellen uns konstruktive Fragen und entwickeln dabei einzigartige Ideen. Reden wir über:
- Risiken und Chancen der Digitalisierung,
- Domänen analoger, z. B. gedruckter Medien,
- Schnittmengen zwischen der physischen und der digitalen Welt, was besonders im Marketing interessante Werbeformen hervorbringt,
- Vorzüge menschlicher Kreativität, z. B. im Marketing oder auch über
- Vorzüge digitaler Möglichkeiten, die im Marketing tatsächlich sinnvoll sind.
Zurück zu den fein dekorierten Speisen, meinem eingangs geschilderten Erlebnis. Oder zu der neuen Jeans, die Sie sich neulich gekauft haben: Rationalität ist nicht immer der Weisheit letzer Schluss. Emotionen, wie Eitelkeit sind der Antrieb von allem. Immer noch und weiterhin. Neromarketing-Experten wissen längst:
Der Bauch entscheidet, der Verstand rechtfertigt.
Schnell verdampfen vor diesem wissenschaftlich verifizierten Wissen sämtliche Zweifel, so auch am Sinn oder Unsinn einer Visitenkarte.
Nennen wir sie einfach Imagecard –
dann wird deutlicher, warum dieses kleine Medium gerade im ersten Gespräch so wichtig ist. Eine Imagecard liefert uns eine exzellente Chance, unseren Markenkern, Alleinstellungen, die Botschaft, Leitsätze bzw. unsere Überzeugungen und Grundsätze nebst dem gewünschten Image perfekt pointiert transportieren zu können. Abseits von System- und Sammeldruck können Kreative bei der Erstellung von Print die volle kreative Palette nutzen und Zutaten auswählen, die kein digitales Medium transportieren kann:
- Materialien, denken wir nur an Papier, Pappe, Karton, Holz, Kunststoff, Leder, Vinyl, Aluminium, Plexiglas oder was auch immer passend erscheint.
- Formate, durch anschneiden oder ausstanzen, Karten zum Klappen oder Aufrollen, als Booklet und so weiter.
- Funktion, die zum Ziehen, Drehen, Schieben, Rubbeln, Reißen, oder Formen einladen. Solche, die als kleine Werkzeuge, Verpackungen oder Datenträger funktionieren oder z. B. Miniaturen von was auch immer darstellen und so viel mehr.
- Veredelungen: Blind geprägt, mit Relief-, Glanz-, Glitter- oder sonstigem Effektlack, mit Prägefolien, Farbschnitten, tiefengeprägt, beduftet, strukturiert (z. B. Sandeffekt etc.), mit besonderen Thermoeffekten ausgestattet und so weiter.
- Zu alledem ein exakt abgestimmtes, passendes Design, nebst einer kernigen, aussagekräftigen Botschaft.
- Emotionale Ladungen durch gezeigte Attribute wie Nachhaltigkeit oder Verantwortung (Labels auf der Karte oder umweltfreundliche Papiersorten).
- Individualisierungen mit Geodaten, Bildern oder Daten wie Namen, Orten etc.
- Kombination mit interaktiven, hybriden Formaten wie QR-Codes oder Bilderkennungen mit direkten medialen Brücken ins Internet. Beispielsweise direkt zu ebenfalls personalisierten Landingpages, die z. B. Sonderangebote enthalten oder sonstige Extras.
Letzteres ist nicht neu, wird aber immer noch sehr selten verwendet. Dabei ist doch gerade der erste Kontakt so elementar wichtig.
Stellen wir uns einmal
folgenden Effekt vor:
Auf einer Messe verteilen wir Visitenkarten mit jeweils individuellen QR-Codes drauf und dem Hinweis, dass der Code z. B. in wenigen Stunden oder sogar in Echtzeit aktiv ist und zu einer personalisierten Landingpage mit bestimmten Überraschungen, Sonderangeboten oder sonstigen Extras führt.
Je nachdem, welche Daten wir im ersten Gespräch erhalten, könnte der Gesprächspartner sofort in die digitale Welt „gesogen“ und dort äußerst persönlich empfangen werden. Damit bleibt der gewichtige, sehr persönliche Moment eines zwischenmenschlichen Gespräches erhalten und wird optimal im Echtzeit-Aftersales gefestigt.
Der Aufwand ist überschaubar: Nach dem Gespräch oder direkt während der Unterredung werden die erhaltenen Daten in ein Onlineformular eingetragen und mit dem auf jeder Visitenkarte individuell gedruckten QR-Code verknüpft. So könnte der Kunde theoretisch schon sofort oder zumindest nach wenigen Stunden seine persönliche Website mit sehr spezielle Informationen und zudem stark personalisiert aufrufen und findet dort exakt das, was ihn interessiert. Ein Hinweis auf die fertige Seite könnte per SMS oder E-Mail übermittelt werden.
„Hallo Herr Müller, vielen Dank für das informative Gespräch mit Ihnen. Meine Kollegen haben Ihnen Informationen zusammengestellt … diese finden Sie auf ‚www.unserefirma/07_17_ihr_name‘. Vielen Dank“
Auf der Landingpage könnten diverse individuelle Informationen oder Services bereitgehalten werden:
- Downloadlinks zu bestimmten Softwaremodulen,
- sehr individuelle Handouts,
- Links zu passenden Fachartikeln oder Informationen,
- Passende Referenzen,
- Gutscheincodes und vieles weitere mehr.
Fragen Sie aus Interesse!
Ohnehin ist Fragen nicht nur für solche sehr individuellen Strategien wichtig. Fragen ist prinzipiell die Königsklasse bei Geschäftsgesprächen, frei nach dem Motto „wer fragt, der führt.“ Dann jedenfalls, wenn das Interesse absolut aufrichtig ist und keine Verkaufsmasche. Das wird der Fall sein, wenn wir verstehen, dass all die erfragten Informationen dabei helfen, die Probleme, Stärken und Erfahrungen unserer Kunden besser zu verstehen, um präziser darauf einzugehen. Eine aus dem persönlichen Gespräch personalisierte Landingpage zeigt unserem Gesprächspartner zudem beeindruckend:
Die haben mich verstanden!
Vollendete digital-analoge Perfektion
mit nahfeldkommunikativen Daten
Ein Ähnliches Beispiel liefert die Near Field Communication (NFC). Diese Technologie ist nicht neu, gleichwohl perfekt für diesen Zweck geeignet. Die Idee ist bestechend. Ein sehr kleiner Chip wird z. B. in eine Visitenkarte eingearbeitet und kommuniziert mit Smartphones in einer extrem kurzen Distanz von maximal ein, zwei Zentimetern, quasi beim Darüberstreifen. Dabei wird beispielsweise eine Adresse übermittelt.
Auf diese Weise lassen sich sowohl die Vorzüge digitaler als auch analoger, gedruckter Medien perfekt kombinieren:
- Sie übergeben Ihren Kunden eine Visitenkarte, die mit diversen kreativen Möglichkeiten (abseits des mehr oder weniger beschränkten Sammel- oder Systemdrucks) ausgestattet ist und emotional berührt, wie oben beschrieben.
- Damit können sie Ihre individuelle Message, wenn auch nur für diesen Augenblick, also selbst, wenn die Karte nicht aufbewahrt wird, perfekt pointieren und unterstreichen.
- Zugleich sorgt ein in die Karte integrierter NFC-Chip dafür, dass die Daten automatisch auf das Smartphone Ihres Gegenübers gespielt werden, sobald er die Imagecard darüberstreicht, oder wenigstens wenige Zentimeter nahe an das Smartphone hält.
- Alternativ oder zusätzlich könnte auch eine Landingpage aufgerufen werden, auf der verschiedene Angebote oder Interaktionen arrangiert sind.
Wenn die Empfänger bereits bekannt sind, denken wir an Mailings, ließen sich Drucksachen bereits im Vorfeld personalisieren, womit sich ein ähnlicher Effekt wie bei vorgedruckten QR-Codes ergeben würde.
Kurz zu den Funktionen: Bei NFC-Chips werden Daten nur in sehr engen räumlichen Abständen übertragen. Durch diese erforderliche Nähe besteht keine Gefahr, dass Daten an falsche Endgeräte übertragen werden. Übrigens: Der NFC-Chip ist eine Variante der RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification).
Das Beste aus zwei Welten,
günstig und leicht zu erstellen
Digitale Möglichkeiten, z. B. bei der Analyse und Weiterverarbeitung von Daten, gepaart mit dem emotionalen Moment gedruckter und haptischer Medien, bilden im Marketing die mit Abstand besten Chancen, Interesse zu wecken sowie Nähe und Individualität zu dokumentieren.
Diverse Angebote und Informationen für diese Technologie liefert z. B. die Wolf-Manufaktur schon seit einiger Zeit. Mit Fokus auf ein sehr breites, internationales Publikum auch der britische Anbieter MOO. Diese und weitere Anbieter zeigen, wie einfach und preiswert solche Technologien heute eingesetzt werden können, wenn Werbungtreibende nicht nur den Einkaufspreis, sondern die Zielsetzung Ihrer Marketing-Aktivitäten im Blick haben.
Wie weitreichend die Möglichkeiten der Individualisierung sind, zeigt u. a. auch die Website nfc-clod.de. Die Macher bieten in puncto NFC-Chips tiefgreifende Management-Tools an.
Die Preise sind vergleichbar mit veredelten Visitenkarten aus der Print-Manufaktur und rangieren, je nach Auflage, bei einem bis zwei Euro pro Karte, vielleicht ein wenig mehr, wenn besonders aufwändig veredelt wurde.
Gute Werbung erfordert Flexibilität
und ein wenig Mut.
Gerade dieser Tage erlebe ich immer häufiger eine interessante Wandlung: Weg vom reinen Automaten-Marketing und der Illusion, der gesamte Prozess ließe sich vollständig technisch lösen und automatisieren. Hybride Formate kosten mehr Geld und Mühe. Die wird sich bezahlt machen, denn immerhin geht es hierbei um nichts Geringeres als den ersten Eindruck gegenüber einem Gesprächspartner, der meistens aufwändig akquiriert wurde.
Für solche interaktiven Werbekampagnen braucht es ein gutes Konzept, dass die Zielsetzung exakt abbildet sowie ein exzellentes, emotionales Design-, Format-, Haptik- und/oder Funktionskonzept. Idealerweise personalisiert. Eigenschaften, die in dieser Kombinations- und Präzisionstiefe nur das Medium Print liefern kann – wie beschrieben sogar mit direktem Draht in die digitale Welt.