Alternative Waldwirtschaft
abseits industrieller Normen
„Hier bei uns laufen einige Sachen anders ab. Ich habe konventionell angefangen und dann nach wenigen Jahren gemerkt, dass ich den Wald damit kaputt mache. 50 Prozent unserer Fläche sind heute Schutzgebiete, was alle alten Buchen und Laubbestände einschließt. Natürlich spielt auch die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Geerntet wird hier aber trotzdem nicht mit schweren Holzerntemaschinen, die den Boden zu Tode quetschen, sondern mit Waldarbeitern und Rückepferden. Wir haben mit großen Widerständen von Seiten moderner Forstwirtschaftler zu kämpfen gehabt, konnten uns aber durchsetzen. Normalerweise würde dieser gesamte Wald heute gar nicht mehr stehen, so war es in der Forstplanung vorgesehen.
Aus einem Teil des Waldes haben wir einen Ruhewald gemacht, was bedeutet, dass Hinterbliebene die Urnen ihrer Verstorbenen hier an einem Baum ihrer Wahl begraben können. Somit fließt nicht nur einmal schnelles Geld aus dem Wald, der dann irgendwann industriell zu Tode geforstet würde. Vielmehr freut sich die Gemeinde über langfristige Einnahmen und der Wald steht den Menschen nach wie vor als Naherholungsgebiet zur Verfügung.“
Aber auch die Forstwirtschaft komme bei diesem Ansatz nicht zu kurz. Nur die Maschinenindustrie ließ wie immer aus Gier ihre Muskeln spielen, die natürlich ein Interesse daran hat, ihre teuren und hocheffektiven Holzerntemaschinen zu verkaufen. „Der Wechsel lohnte sich mit unserer Methode aber auch wirtschaftlich sofort, denn gesündere Wälder bzw. Mischwälder liefern mehr und besseres Holz“, erklärt Wohlleben, der sich darüber freut, dass die Industrie aus seinem Verantwortungsbereich verbannt wurde.
10 unglaubliche Fakten
über gesunde Wälder:
Der Medienrummel bei der Veröffentlichung seines Fachbuches ist verständlich, denn die von Wohlleben zusammengetragenen wissenschaftlichen Fakten klingen wie Fiktion.
01) Das soziale Leben der Bäume
Ergebnisse Bäume wie Buchen stehen wissenschaftlich nachgewiesen in einem gesunden Forst im ständigen Kontakt untereinander. Sie ernähren sich sogar gegenseitig, in dem sie Nährstoffe über die Wurzeln austauschen. Mutterbäume stillen ihre Kinderbäume über die Wurzeln, die aufgrund ihrer geringen Größe teilweise nur drei Prozent des Sonnenlichts abbekommen und ohne diese Versorgung gar nicht überleben könnten. Das passiert solange, bis junge Bäume stark und groß genug sind, sich selber zu ernähren.
Dabei werden über die Wurzeln, mit denen die Bäume im gesunden Waldboden untereinander verbunden sind, gegenseitig Zuckerlösungen ausgetauscht. Auch Bäume, die einmal ein schlechteres Jahr erleben, werden somit von den stärkeren Bäumen quasi im sozialen Verbund mitversorgt und mitgetragen.
„Dieser Sozialverband funktioniert grundsätzlich wie bei uns Menschen. Die schwächeren Glieder eines Sozialverbandes werden von den stärkeren getragen und versorgt.
Durch diese Selbstregulierung bleibt der Wald als gesunde Gemeinschaft intakt.“
2) Bäume nehmen
aufeinander Rücksicht
Bäume nehmen zudem aufeinander Rücksicht. Wenn etwa zwei Bäume eng nebeneinanderstehen, bilden sich nur dünne Äste in Richtung des anderen Baumes aus. Während nach allen anderen Seiten dicke Äste wachsen, um möglichst viele Blätter zum Einfangen des Sonnenlichts auszubilden, tasten sich nur zarte Ästchen vorsichtig in Richtung des benachbarten Baumes vor. Kein Baum tritt mit anderen Bäumen in direkte Konkurrenz. Jeder Baum achtet rücksichtsvoll darauf, dass jeder genug Licht erhält, um gesund zu bleiben.
3) Bäume schützen und
helfen sich gegenseitig
Auch bei Sturm bilden gesunde Baumbestände eine Solidargemeinschaft. Während einzelne Bäume umfallen würden, stützen sich die Mitglieder eines intakten Buchenwaldes gegenseitig, indem sie durch ihre unterschiedlichen Kronen und Stämme unterschiedlich hin und her pendeln, gegeneinander schwanken, ihre Bewegungen damit abbremsen und somit ein Aufschaukeln und Umfallen verhindern. Gesunde Wälder können zudem im Verbund Temperaturen um bis zu drei Grad herunterkühlen und leiden in so einer intakten Gemeinschaft weit weniger Durst.
4) Das Wood Wide Web?
Bäume kommunizieren
Bäume kommunizieren zum einen über chemische Prozesse, quasi über Duftbotschaften, miteinander, gleichwohl aber auch über eine Art von Internet im Waldboden – einmal über das Wurzelgeflecht, andererseits über weiße Pilzfäden, die hier als eine Art von Datennetz funktionieren, quasi als Telekom des Waldbodens. Ein Teelöffel eines gesunden Waldbodens enthält mehrere Kilometer dieser „Pilz-Datenkabel“, über die Bäume untereinander ständig und in Echtzeit miteinander kommunizieren.
Damit sind Bäume in ihrer natürlichen Umgebung viel besser verkabelt als wir Menschen.
Diese wissenschaftlich bewiesenen Kommunikationskanäle werden deshalb auch als Wood Wide Web bezeichnet. „Das ist keine Spinnerei von mir oder die Verklärung eines an sich ganz anderen Prozesses, sondern es sind wissenschaftliche Fakten, die im Grunde eine hochkomplizierte und komplexe Angelegenheit darstellen“, erklärt Wohlleben.
5) Bäume warnen sich gegenseitig
So warnen sich Bäume über diese Pilzleitungen teils über viele hundert Meter hinweg beispielsweise vor dem Befall von Schädlingen. Die Fadenpilze profitieren ihrerseits durch eine Art Gebühr, denn sie erhalten als Gegenleistung etwa 30 Prozent des Zuckers, den ein Baum für seine Ernährung bzw. die Ernährung seiner Gemeinschaft durch Photosynthese produziert. So sind Bäume in einem gesunden Bestand bereits bestens informiert, wenn sich z. B. ein Schädling zu ihnen auf den Weg macht und können entsprechende Schutzmaßnahmen einleitet.
6) Bäume rufen sich Hilfe herbei
Doch das ist noch nicht alles: Bäume können sich ihre Hilfe sogar im Tierreich selber herbeirufen. Schlupfwespen beispielsweise werden durch Duftbotschaften angelockt, die die Bäume in der Gemeinschaft aussenden. Diese Wespen legen ihre Eier dann in solchen Raupen ab, die den Baum befallen haben und infolge dessen einige Zeit später sterben. Dabei erkennen die Bäume über die angefressenen Blätter, am Speichel der Raupen, ob diese gutartig oder schädlich sind. Wohlleben ist fasziniert von der Analogie zu menschlichen sozialen Strukturen.
„Im Grunde funktioniert dieses Warnsystem vergleichbar mit einem Wachhund, den Menschen sich anschaffen, um sich zu schützen. Diese Art von Kommunismus eines gesunden Laubwaldes“, so Wohlleben, würde bei Bäumen hervorragend funktionieren, womit sich die Bäume selber untereinander schützen und versorgen.“
7) Plantagenbäume sind Zombies,
Einzelkämpfer quasi
Bei industriellen Holzernteplantagen, die nicht mehr als Wald zu bezeichnen sind, sondern als effiziente Holzanbauflächen funktionieren müssen, schon um schnellen Profit zu erwirtschaften, bestehen diese natürliche Verbindung nicht mehr.
Bei hastig und auf Tempo getrimmten Fichtensetzlingen sind die Wurzeln bereits für den Transport gestutzt worden, um sie schneller und in größeren Mengen heranschaffen und pflanzen zu können. Ihre Wurzeln sind isoliert von der für gesunde Wälder üblichen vernetzten Gemeinschaft unter Bäumen. Solche Plantagenbäume sind, so der Forstfachwirt, quasi Einzelkämpfer – inmitten kaputter sozialer Strukturen, wie wir sie zunehmend auch in unserer Gesellschaft finden, denken wir nur an den Umgang mit Sozialschwachen, Arbeitslosen oder alten Menschen in der Pflege.
Die Botschaften zwischen den Bäumen bleiben sodann aber vollständig aus, der soziale Verbund ist zerstört und Schädlinge müssen mit teurer und giftiger Chemie z. B. aus der Luft bekämpft werden, da die Bäume sich nicht mehr gegenseitig unterstützen können. Hier profitiert also nicht nur Maschinenbauindustrie, sondern zudem auch Chemiekonzerne.
8) Festplatte Holz?
Das Gedächtnis der Bäume
Erstaunlicherweise versorgen gesunde Bäume sogar Baumstümpfe mit Nahrung, die selber keine Blätter mehr ausprägen können und im Grunde dem Tode geweiht wären. „Wir haben einige Stümpfe gefunden, die 400, 500 Jahre alt und dennoch intakt sind. Die noch nicht bewiesene Vermutung liegt nahe, dass solche Stümpfe deshalb über Jahrhunderte von ihren Verwandten versorgt werden (was ja bereits als gesicherte Erkenntnis besteht), weil sie wesentliche Informationen speichern – sie funktionieren quasi als Gedächtnis z. B. in Bezug auf die Zahl und Heftigkeit von Trockenphasen über die Jahrhunderte hinweg. Das Thema wird aktuell untersucht, aber es liegt nahe, dass solche Baumstümpfe quasi als Festplatte erhalten werden, um anderen Bäumen Daten über die Historie des Waldes auch in Bezug auf Schädlinge zu liefern.“
9) Bäume können zählen
Fakt ist, dass Bäume an ihren Wurzelspitzen quasi gehirnähnliche Strukturen ausbilden – dies hat die Universität Bonn bereits bestätigt. Wie genau das funktioniert, wird laut Wohlleben derzeit u. a. auch an der Universität München untersucht. Auch die Frage, warum Bäume zählen können. Im Frühjahr z. B., so bereits bestätigte wissenschaftliche Erkenntnisse aus München, zählen Bäume warme Tage über 20 Grad und bilden entsprechend der klimatisch situativen Umgebung erst Blätter aus, wenn eine gewisse Zahl von warmen Tagen erreicht ist.
10) Bäume können
Schmerzen empfinden
Wohlleben ist sicher, dass Bäume Schmerzen empfinden können, wie jedes Lebewesen. Bei einer Verletzung der Rinde werden elektrische Signale durch den Baum geleitet, um entsprechende Schutzmaßnahmen einleiten zu können und Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. „Wenn schwere Forstmaschinen im Auftrag der pseudonachhaltigen Forstwirtschaft durch die Wälder walzen, brechen sie auch große Wurzeln im Waldboden, was dem Baum erhebliche Schäden und Schmerzen zufügt.“ Auch an diesem Thema forscht u. a. die Universität Bonn. Fakt ist, dass ein Baum, würde er nichts spüren, auch keine Schutzmaßnahmen einleiten kann, um sich nach einer Verletzung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Esoteriker oder Experte?
Der Forstfachwirt selber sieht sich ganz und gar nicht als Esoteriker. „Das ganze Thema ist natürlich hochwissenschaftlich und von verschiedenen Universitäten längst verifiziert. Diese Erkenntnisse über die Kommunikation unter Bäumen und die chemischen und elektrischen Prozesse, die da tatsächlich in gesunden Wäldern ablaufen, sind natürlich keine Esoterik. Das Ganze nennt sich Ökosystem“, resümiert der Forstexperte nüchtern und wünscht sich, dass sich die Menschen im Zeitalter des Konsumrausches und des schnellen Tempos wieder ein wenig auf den Takt der Natur zurückbesinnen und die Schönheit und Raffinesse eines gesunden Laubwaldes verstehen.
Der FCS bietet ein Kompromiss,
ist aber kein Umweltlabel
Eine Schweizer Ethikkommission beschäftigt sich aktuell mit der Würde solcher Pflanzen. Sicher werden weitere kommunal gesunde Forstflächen entstehen und den industriellen Vormarsch bremsen. Natürlich muss man die Mengen an Papier im Auge behalten, die eine Industrienation wie Deutschland verschlingt. Da sind zertifizierte Wälder (z. B. FSC) sicher nicht optimal, jedoch ein Kompromiss, der in der Summe wenigstens die überschaubaren Verbesserungen herbeiführte, die ohne den FSC gar nicht erst möglich gewesen wären.
Allerdings sollte man den FSC nicht als Umweltlabel sehen, sondern als Moderator zwischen einer recht gierigen Industrie und den Belangen von Menschen und Natur. Vielleicht ist der FSC gut beraten, ein Deluxe- oder Platin-Label zu vergeben – speziell für Wälder, wie ihn sich Experten wie Wohlleben vorstellen. Denn die einzigen Alternative selbst zu Recyclingpapieren dinf derzeit Stein- oder Graspapiere, da für die Herstellung keine einziger Baum gefällt werden muss, schlicht, da nur Steinmehl oder Heu verwendet wird.
Fazit
Der Beginn von allem ist das Verständnis von uns Verbrauchern, sich nicht von Normen und NGOs beruhigen zu lassen, die im Grunde sehr häufig von der Industrie gleich selber initiiert wurden, um einerseits grünes Handeln zu suggerieren, andererseits jedoch Wälder weiterhin in industrieller und teils unvernünftiger Weise zu bewirtschaften. Darum hat der Bestseller von Wohlleben sicher einiges zum Verständnis beigetragen.