Digitale Euphorie wider jeder Logik?

Moderne Agenturen pflegen immer häufiger ihr Faszination für digitales Marketing, drängen auf Trends. Verständlich: Digitales bringt ihnen mehr Geld, lässt sich besser abrechnen bzw. automatisieren. Zudem ist digitales Marketing nicht so kompliziert wie Print, mit seinen ganzen Prozessen der Druckvorstufe, dem Druck, dem Versand und seinen Gefahrenübergängen bezüglich der Druckdaten.

Warum dieser Aufwand, wenn sich der Kunde für seine Marketingkampagne auch mit Digitalem zufriedengibt?

Solche Agenturen liefern dann auch, was sie im digitalen Marketing versprechen: Traffic!

Für Sales sind sie nicht verantwortlich. Der Unterschied zwischen Traffic und Konversion ist signifikant, etwa im Verhältnis von 1 bis 3:100.

Eigenkritik kann helfen

Immerhin können solche Digitalagenturen beim E-Business auf Trends verweisen. Darauf, wie geil diese neue Welt doch ist und brauchen gar nicht mehr zu klären, ob Print nicht manchmal vielleicht doch signifikant effektiver wäre, gerade wenn es darum geht, Kunden zu gewinnen. Egal. Schwamm drüber. Media-Blindness? Nie gehört. Trend ist Trend.

So gesehen musste diese Eigenkritik her, denn wir sprechen für Printbuyer und meinen: Wir müssen wieder lernen, selber zu rechnen und weniger häufiger schauen, was die anderen tun, die ihrerseits schon geschaut haben, was wieder andere taten.

woo woo, Adobe-Werbefilm

Woo Woo!? Trendsetting um jeden Preis? Ein weiteres Video der Agentur Goodby, Silverstein & Partner zeigt mit viel Humor, wie es aussieht, wenn alle tun, was alle tun.

Woo, Woo! Der Megatrend

Zurück zur Beobachtungsgabe der Agentur Goodby, Silverstein & Partners, die im Auftrag von Adobe (Marketing Cloud), ein weiteres Video schon 2014 entwickelt hat. Damit zieht Adobe ein Stück weit auch seine eigenen Kunden durch den Kakao, denn der US-Konzern sieht sich selber als Trendmarke. Mit klarem Verstand haben die Macher ein Video mit Anspielungen zur Digital- und Trendeuphorie gedreht. Herrlich. Viral!

Denn sie geht weiter, diese Hysterie um die neuen Trends, die wir gar nicht verteufeln möchten, wohl aber die Euphorie und die fehlende Differenzierung. Zeit und Geld sind manchmal besser investiert, wenn sie gar nicht investiert werden. Schlechter Content z. B. ist schlechter als keiner. Und gespielte Fröhlichkeit weniger sympathisch als echte Launen.

Nicht jeder Trend muss unbedingt für jedes Unternehmen ein guter Trend sein. Ob ein Trend ein Trend ist, entscheiden nicht die, die den Trend nutzen sollen, sondern prinzipiell zunächst die, die ihn erfinden. Auch Flops waren häufig Trends bzw. sollten es werden. 

Das Fliege-Prinzip

Das Video zeigt die digitale Euphorie, die auch in der Druckbranche zu beobachten ist. Wie erwähnt postet die Branche z. B. auf Facebook immer wieder Sonderangebote, Kuchenbilder, Eigenwerbungen und sonstige Inhalte, obgleich längst bewiesen ist, dass dies teils ohne jeden Load passiert – über Jahre.

Geradeso wie eine Fliege, die immer und immer wieder mit sturer Beharrlichkeit gegen dieselbe Glasscheibe fliegt, obwohl ihr Leben doch so kurz ist. Dies kann nur aus der Motivation und der festen Überzeugung heraus geschehen, dass sich irgendwann dieser Widerstand schlicht überwinden lässt. Wir könnten es der Fliege ja sagen: wird er nicht.

Digitale Euphorie, perfekt in Szene gesetzt

Der eigene Blog als Punkt im Netz

Immer noch viel zu wenige Druckereien zeigen uns Printbuyern auf ihren eigenen Blogs, für was sie stehen, wo sie hinwollen, warum wir bei ihnen kaufen sollten? Was können sie anders? Was besser? Eigene Blogs sind oft eine gute Basis für Posts in den sozialen Kanälen.

Blogs können den eigenen Kunden als Punkt im Netz angeboten werden. Kundenbindung! Awareness. Authentizität. Kompetenzbeweis und irgendwann, so alles richtiggemacht wurde, Customer Experience! Einige Druckereien haben sich auf diesen Weg gemacht. Es macht richtig Spaß, sich diese Blogs anzusehen.

Jedes Unternehmen hat ihre eigene DNA

Den 56. Fachartikel über den Sinn von Visitenkarten oder das diese während eines ersten Geschäftskontaktes zu übergeben seien oder beidseits bedruckt werden können, um es einmal etwas überspitzt zu formulieren, wird niemand lesen. Solche Inhalte sind auch nicht viral und für Social-Media-Kanäle unbrauchbar.

Das die Produkte von Offsetdruckereien und somit auch die Themen sehr vergleichbar sind und mehr thematische Raffinesse darum nicht möglich ist, wird häufig als Grund für diese Themen-Monotonie aufgeführt.

Dem ist nicht so. Der Weg hin zu einer Fülle ungeahnter Themen die funktionieren, führt über atypische Themenfelder, eine gründliche Analyse der eigenen Bedürfnisgruppen (Kunden) und eine Bestandsaufnahme von Stärken und Alleinstellungen.

Jeder Druckdienstleister hat seine ganz eigene DNA. Diese gilt es zu analysieren und zu thematisieren.

Business-Skills, die als Basis für die Konstruktion eines Dachthemas dienen, das sich über erstaunlich viele Themenbereiche spannen lässt. Hochwertige Content-Agenturen destillieren diese Themen aus einen Status-Check heraus und vergleichen inhaltliche Ideen mit Trends. Schließlich entstehen mit der nötigen Courage und Fantasie Themen, die allen Spaß machen, authentisch, glaubwürdig, passend und wertvoll sind. Sie sind viral und funktionieren.

Wie jetzt? In Echt mit den Kunden reden?

Viele Printbuyer dürften sich von Herzen wünschen, dass wieder mehr Tiefgang in die Kommunikation kommt – mehr Verstand und mehr Individualität. Das zu wissen, bedarf einer besonderen Beziehung zum Kunden. Punktuell und so häufig wie möglich persönlich. Von Mensch zu Mensch.

Der gehypte Trend, diese Kundenbeziehungen über Data Mining um jeden Preis voll zu automatisieren, geht bisher in den meisten Fällen schief. Etwa so wie bei Beauvoir targeting, dieses Ding, wo Werbeanzeigen einmal besuchter Websites an unserem Browser kleben wie digitales Kaugummi. Widerlich, finden die meisten User. Schnell Antiwerbung, statt Imagegewinn also.

Hören wir zu: Agenturen ihren Auftraggebern. Druckereien den Printbuyern. Berater ihren Kunden.

Jedes Unternehmen tickt anders – wo bleibt die Differenzierung?

Regt sich Kritik an dieser teilweise klar nachgewiesen und sinnlosen digitalen Dynamik, dann kommen sie wieder, die Best-Practice-Geschichten von den wenigen großen Druckfabriken. Schaut, wie gut es funktioniert! Ihr müsst, was so direkt nie geäußert wird, einfach mal einige Millionen in Eure Zukunft (vor allem in Beratung und sinnlose Agentur-Agitationen) investieren, um dann morgen selber durch die perfekte alles steuernde Prozessoptimierung doppelt so viele von den Druckaufträgen zu erhalten, die es häufig gar nicht mehr gibt.

Berater hören meistens gar nicht richtig zu. Stattdessen wollen sie, dass wir ihnen zuhören.

Verständlich, dass viele Druckereien bei diesem pseudomodernen Treiben gelegentlich verzweifeln. Heimlich, wenn gerade keiner schaut, weil sie all diese Entscheidungen noch neben ihrem hektischen Tagesgeschäft treffen müssen. Dann haben Berater ggf. ein leichtes Spiel und versprechen digitale Lösungen, oder sogar Notwendigkeiten, um all die Sorgen rasch loszuwerden.

Nachdem die Honorare bezahlt und die Berater abgezogen sind, bleiben wir mit der Technologie und der Abhängigkeit von selbiger zurück. Eine Szene die von den Experten der Agentur Goodby, Silverstein & Partners präzise und gerade darum ein wenig schmerzlich verfilmt hat. So oder ähnlich stehen wir nicht selten da, mit einer Technologie, die sich in der täglichen Praxis häufig nicht bewährt.

Wenn zu viele Experten auf einem Haufen sitzen:

Video der Agentur Goodby, Silverstein & Partners: