Ich bin sie leid, die 08/15-Drucksachen, die massenhaft produzierten Schnäppchen, die häufig das Gegenteil vom Gewollten dokumentieren: Gewöhnlichkeit und, grummelig formuliert, fehlende Verantwortung, sogar Egoismus, wenn entsprechende Labels fehlen.

Manchmal reicht eine herkömmliche Drucksache. Aber doch bitte nicht bei Image-Werbung. Schnell wird aus dem Schnäppchen ein Näpfchen – ein Fettnäpfchen!

Vor lauter Lust an supergünstigen Drucksachen übersehen manche Printbuyer doch glatt die gewollte Funktion.

Jede Drucksache erfüllt eine bestimmte Funktion, manchmal sogar eine werbliche, womöglich der erste Kontakt zu einem künftigen Kunden. Wenig überraschend, wie gewöhnlich Print heute sein kann, schon aber, wie gewöhnlich es manchmal auch ist:

Das Design sollte nichts kosten. Nicht einmal Zeit. Selbst für uns nicht? Bitte? Das ist doch …! Vielen Dank auch, für die Wertschätzung.

Gedruckte Monokultur = Flüchtigkeit und schließlich Print-Blindness. Performt und wirkt nicht richtig, war aber billig!? Wo ist da die Logik?

Discount-Drucksachen sind häufig viel teurer

Anbieter günstiger Drucksachen liefern pünktlich, in ordentlicher Qualität und meistens ohne Beanstandungen. Neue Märkte sind entstanden. Im Ergebnis gehen viel mehr Leute zum Drucker als vor 20 Jahren – sogar Hardcore-Edding-Designer, die auf ihre selbst gemachten und dann kopierten Flyer immer so schworen. Ein echter Fetisch.

Tja, und so sehen manche Drucksachen dann auch aus. Seelenfolter für sensible Kreative, die mit solchen Vorlagen während ihrer Lebenszyklen kontaminiert werden. Die Discountdruckereien sind jedenfalls an faden Motiven nicht beteiligt – sie leiden bestimmt mit.

Andererseits produzieren sie Gewöhnlichkeit statt Exklusivität, wobei der Grad der Gewöhnlichkeit mit der Unsichtbarkeit von Medien korreliert. Eine Katastrophe, wenn Aufmerksamkeit das Ziel war. Günstig, aber unsichtbar? Betriebswirtschaft 2017.

Wir haben solche Angst!

Nur da Günthers Nagelstudio statt 2.500 gleich mal 10.000 Flyer bestellt, weil‘s so billig war, muss doch jetzt nicht jedes Druckwerk unter den Preishammer. Das ist Design-Zombieismus. Aber warum nur?

Die Angst vor Verlusten, so belegen anerkannte Studien, ist deutlich größer als unser Verlangen, etwas zu erreichen. Verluste wirken sich demnach doppelt so stark auf die Psyche aus wie Gewinne. Das bedeutet, dass eine Person, die 500 Euro verliert, zweimal intensiver darunter leidet, als sich über 500 Euro Zugewinn zu freuen.

Kurz: Wir geben ziemlich ungern Geld aus. 2:0 für Printschnäppchen.

Stellt sich die Frage: Welcher Eurobetrag wäre uns ein gutes absatzförderndes Image für einen einzigen Kunden wert? 1.000 Euro? Demnach also 2.000 Euro, bevor wir unser Image gegenüber diesem einen Kunden verlieren. 4:2 für individuelle Exklusivität.

Wer sich in der Kommunikation an der Schnittstelle zum Kunden eher „von der Stange“ präsentiert, könnte schnell auch so eingeordnet werden. Im digitalen Zeitalter ist die Funktion bestimmter Drucksachen gerade nicht nur die Übermittlung von Textbotschaften, die auch im Internet abgerufen werden können.

Bei Visitenkarten zählen Emotionen weniger Informationen, darum, durch das Zusammenspiel von Formen, Funktionen, Veredelungen, haptischen Effekten, ggf. Düften und speziellen Formaten eine Botschaft signifikant zu unterstreichen. Völlig egal, ob die Drucksache dann doppelt so viel kostet, wenn sie zehnmal besser wirkt.

Wer braucht z. B. heute noch eine Visitenkarte? Solche Produkte sind Luxus.

Sorry, es müsste heißen: Solche Individualdrucksachen könnten zu fairen Preisen zum Luxus werden, wichtige Botschaften außerhalb der Flüchtigkeit digitaler Medien und von Massendrucksachen wirken zu lassen: Individuell, einzigartig, multisensorisch, unterhaltsam und/oder z. B. mit nachhaltigen Statements (z. B. Umweltlabels) emotional geladen.

Individualität zahlt sich aus – nicht nur bei veredelten oder besonderen Visitenkarten, besser: „Imagekarten“.

Richtig geile Medien, diesen performanten „Design- und Haptikporn“ gibt es nur beim Individualdrucker – manchmal sogar bei dem, der auch Discountware produziert, dann aber eben nicht zum Discountpreis und leider nicht immer mit dem von kleineren Druckereien gewohnten Service.

Nachhaltigkeit und pfiffige Design-Architekturen, bei denen sämtliche Register wie Formate, Funktionen, Substrate oder Veredelungen gezogen werden, begründen das Haptik-Add-on! Was für eine Chance gegenüber den digitalen, zweidimensionalen Medien.

Ich fühlte mich jedenfalls geehrt

Kürzlich erhielt ich von einer nachhaltig orientierten Unternehmensberaterin eine umweltschonend produzierte Visitenkarte. Gedruckt auf einem hochwertigen, schweren Recyclingkarton mit relief- und blindgeprägten Lettern und Symbolen. Selbst die Typografie war einzigartig. Keine Bogenware!

Wow: Diese Visitenkarte hat ihren Auftrag erfüllt.

Diese Karte liegt auf meinem Schreibtisch neben 08/15-Drucksachen und zeigt mir mehr als die Adresse, die ich auch hätte googeln können:

Die Kollegin agiert nachhaltig, hat Tiefgang, denkt nach, ist kreativ, innovativ und: ich war ihr diesen Aufwand wert. Ein perfektes Entree.

Kreative Drucksachen sind nicht nur angesagt, sondern für bestimmte Zwecke ein Must-have. Ich fühlte mich geehrt.

Tendenziell eher peinlich

Andere Urheber von Imagekarten entschieden sich für Monotonie, Schnelligkeit, Billigkeit und Gewöhnlichkeit, exemplarisch für viele Drucksachen dieser Tage.

Ich will gar nicht zu laut lästern. Gutes Zeug braucht viel Talent – und  wir werden alle zusammen jeden Tag ein kleines Stück besser.

Wer beim Spirit of Print spart, riskiert real etwas:

Nachhaltiges Denken? Keine Verantwortung? Null Innovation? Keine Ideen? Sind auch die Leistungen eher Standard? Muss ich mich darauf einlassen, könnten sich die Empfänger unterbewusst fragen.

Ich blicke auf die Botschaft einer dieser gewöhnlichen Karten. Dort steht: „Ihr innovativer Partner für …“

Dann. seid. doch. auch. innovativ!

Individuelle Drucksachen waren vielleicht dreimal teurer, wirken und performen häufig aber auch zehnmal besser.

Bei vielen Zielsetzungen sollten wir bei der Auswahl von Print zu der Frage stehen:

Sparst Du noch oder wirkt es schon?