Druck- und Mediendienstleister lassen sich grob in zwei Kategorien sortieren:

  • Konsequent rationalisierte und automatisierte Produktionsworkflows, meistens mit dem Ziel, „teure“ sozialversicherungspflichtige Arbeitskraft zu ersetzen.
  • Auf sehr individuelle Druckwerke bzw. Medien spezialisiert, meistens mit einem großen Bedarf an Arbeitskräften verschiedener Qualifikationen. 

Die Produktionen sehr individueller oder komplex konfektionierter Drucksachen liefern per se soziale und ethische Argumente. Anbieter solch spezieller Medien sind im Regelfall in bestimmten Nischen der Druck- und Medienbranche zu finden, die sich für finanzkräftige Discount-Druckereien nicht immer rentieren.

„Made by homo sapiens“ ethisch korrekt
und mit optimaler Preis-Leistung

Print-Discounter fokussieren klar auf Automation, vor allem von Standardsortimenten, getrieben durch das Preisargument. Abgesehen von Mass-Customization, dem bis heute kaum überzeugenden Versuch also, möglichst auch Individualität zu automatisieren, würden eben diese Anbieter bei tatsächlich individuellen Drucksachen aufgrund des gleichen personellen Aufwandes kaum günstiger produzieren können.

Die Vorteile, die besonders finanzkräftige Online-Printer durch Investitionen in konsequente Automationstechnologien erreichen, granulieren sich immer dann mehr oder weniger, wenn sich sehr spezielle Drucksachen ohne einen hohen Anteil von Handarbeit, welcher Form auch immer, nicht erstellen lassen.

Die Produktionen von tatsächlich sehr individuellen Medien, ob gedruckt oder digital (Blogs oder Medien-Assets wie Content), liefern neben den positiven ethischen Komponenten auch für die Käufer im Vergleich zu günstig produzierten Massenmedien signifikante Vorteile. Denn Media- oder Digital-Blindness, die Unsichtbarkeit von vergleichbaren und günstig produzierten Massenmedien, ist bei hoch individuell erzeugten, besonders hervorstechenden Medien oder Medieninhalten kaum zu erwarten.

Ethisch nachhaltige und individuelle Medien
versus Rationalisierung und Billigkeit

Selbiges gilt auch für nachhaltige Medien, die entsprechend mit Umweltzeichen vonseiten der Kunden gelabelt werden dürfen. Printbuyer kaufen dann Drucksachen, vor allem aber ein Image inklusive. Ein deutliches Statement für Weitsicht und Verantwortung. Ein Asset, das für viele Printbuyer fast ebenso wertvoll eingeschätzt wird wie die Drucksache an sich.

Menschenleere Fabriken werden im Zuge des weltweiten Turbokapitalismus und im Sinne der vierten industriellen Revolution häufig notgedrungen Profite mit Produktionen erwirtschaften, ohne soziale Ersatzleistungen zu übernehmen. Die Folgekosten durch Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit, die durch den Einsatz destruktiver Technologien entstehen, werden stattdessen  über Sozialleistungen vergemeinschaftet.

Die Begrifflichkeit „Industrie 4.0“ ist zu Recht auch mit positiven Assoziationen geladen. Industrie und Unternehmen der Share-Economy nutzten die damit verbundenen Technologien aber auch für destruktive bzw. disruptive Geschäftsstrategien: Quasi gefangen im internationalen Rationalisierungsrausch und Opfer eines globalen Wirtschaftskriegs, bei dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Regeln oder gar Vernunft sind dabei selten maßgeblich, sondern ausschließlich situative, kurzfristige Profitgedanken als Folge eines falsch interpretierten Verständnisses des neoliberalen Wirtschaftsbildes.

Diese Ausläufer der neoliberalen Ideologie haben auch den Mittelstand erfasst.

Quer- und Vordenker einer
neuen Form des Wirtschaftens

Neben Prof. Dr. Harald Welzer sind der Internetexperte, Buchautor und SPON-Kolumnist Sascha Lobo sowie der Philosoph, Publizist und Honorarprofessor Richard David Precht prominente Kritiker des Umgangs mit der digitalen Transformation – ganz sicher aber keine Feinde des Fortschritts.

Sascha Lobo über Share-Economy
und digitale Ausbeutung

Lobo fokussiert seine Kritik vor allem auf Veränderungen, die durch die vernetzte Arbeitswelt entstehen: Cloudworker dienen sich millionenfach unter dem Mindestlohn an. Die von vielen gepriesene Share-Economy wälzt ganze Branchen um, denken wir nur an den Fahrdienstvermittler Uber oder Ferienwohnungsvermittler Airbnb.

Die Grenzen zwischen Angestellten und Selbstständigen verflüssigen sich weiter. Normale berufliche Qualifikationen verlieren zunehmend an Bedeutung.

Im Ergebnis machen solche „Plattform-Kapitalisten“, wie Lobo sie nennt, mit ihren disruptiven Technologien Milliardengewinne durch Leistungen von Millionen „Selbstständiger“. Disruptiv steht für Innovationen, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung teils in nur wenigen Jahren verdrängen, was für die etablierten Anbieter, die wenigstens noch die gesetzlichen Mindestlöhne zahlen, in der Regal sehr unerwartet passiert. Das erlebten und erleben wir derzeit auch in der Druckbranche. Halbwegs faire, geregelte Beschäftigung wird zunehmend durch unregulierte, netzbasierte ersetzt.

„Share-Economy“ steht für das Teilen statt das Anhäufen von Besitztümern.

„Tatsächlich bringt das gewaltige Erosion des Arbeitsmarktes mit sich“, meint Deutschlands bekanntester Internetexperte Lobo. Darum sei der Begriff PR-technisch sehr clever gewählt, denn Teilen klingt zunächst nach einem fairen Angebot. Tatsächlich aber bereichern sich die Initiatoren hier teilweise sehr stark zu Lasten der Mitwirkenden, da dieser Arbeitsmarkt kaum reguliert ist.

Richard David Precht
über digitale Ausbeutung

Precht ist für seine deutlichen Statements bekannt und bewertet die Lage am Arbeitsmarkt ähnlich kritisch:

„Ich bin kein Feind des Kapitalismus, doch müssen wir mit Begriffen und Etiketten sehr vorsichtig umgehen. Es gibt viele Formen des Kapitalismus: Einer, der z. B. Menschen mit 16 Stunden täglicher Arbeitszeit ausbeutet, ist ein anderer als der normale Kapitalismus z. B. in Deutschland, der wenigstens noch 50, 60 Prozent Mittelschicht produziert.“

Precht, der für die gleichnamige Philosophiesendung im ZDF den deutschen Fernsehpreis gewann, sagt:

„Wir haben fast keine gesellschaftliche Debatte darüber, welchen Fortschritt wir brauchen und welchen nicht. Viele Fortschritte sind Antworten auf nicht gestellte Fragen. Eine der dramatischsten Folgen der vierten industriellen Revolution wird eine Massenarbeitslosigkeit in Europa sein, die wir uns überhaupt noch gar nicht vorstellen können. Für viele Leute wird es keine Verwendung mehr geben. Darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen und den Begriff von Arbeit neu definieren. Auch brauchen wir so etwas wie ein Grundeinkommen, denn sonst brechen uns schon sehr bald die Binnenmärkte und die sozialen Sicherungssysteme zusammen.“

Abgesehen von den Vorteilen, die sich durch das gute Image nachhaltiger Drucksachen oder die deutlich besseren Rückläuferquoten von sehr individuellen Medien mit einem hohen Anteil von menschlicher Arbeitskraft ergeben, bringt der Faktor „made by homo sapiens“ auch wirtschafts- und sozialpolitisch enorme Vorteile mit sich. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Konsumenten erkennen diese weitläufigen Zusammenhänge zunehmend und leisten in gewisser Weise logisch begründeten Widerstand zum gegenwärtig kapitalistischen Wirtschaftsmodell.

LOHAS: Handeln ohne Verzicht

Eine Lösung der anstehenden Herausforderungen findet sich im Verständnis jedes einzelnen Konsumenten und liegt nicht etwa bei der Politik alleine, die schließlich nur entweder auf die Industrie oder auf die Wähler reagiert.

Beispiel LOHAS (nach engl. Lifestyles of Health and Sustainability): Dieser Typus pflegt einen Lebensstil, der von Gesundheitsbewusstsein und -vorsorge sowie der Ausrichtung nach Prinzipien von Nachhaltigkeit und Verantwortung geprägt ist.

Die Wirtschaft hat diesen Konsumententypen entdeckt, der sich nicht geißelt oder sonderlich verzichtet, sondern mit Freude, aber bewusst konsumiert. Diese Konsumenten suchen nachhaltige und faire Textilien oder natürliche, schmackhafte Lebensmittel, möglichst aus der Region, um damit den eigenen Lebensmittelpunkt zu stärken.

Der Eingang der Industrie auf das Thema zeigt schon, dass Konsumenten enormen Einfluss durch ihr Kaufverhalten nehmen können.

LOHAS sind Interessierte, die sich häufig die Zeit nehmen, um selbstbestimmter zu handeln und zu konsumieren. Sie genießen Qualität und das Bewusstsein, einen wichtigen Beitrag geleistet zu haben: Mal beim Verzicht auf Fleisch, mal durch eine Tour mit dem Fahrrad statt dem Auto, bei der Entscheidung gegen eine Fernreise oder durch den Einkauf von nachhaltigen Drucksachen.

Bei jeder dieser kleinen täglichen Entscheidungen geht es auch um die eigene Zukunft, den Job oder den eigenen fairen Lohn. Dieses Verständnis, eigene Handlungsspielräume zu haben und zu nutzen, sich als Konsument ernst zu nehmen, und sei es in kleinen Schritten, funktioniert gut. Eine andere Nachfrage verändert schließlich automatisch auch das Angebot.

Da diese Macht der Verbraucher nicht ausreicht, sofort grundlegende Änderungen herbeizuführen, bleibt in Teilen nur die Diskussion, wie sonst dem zunehmenden sozialen Ungleichgewicht begegnet werden kann.

Bedingungsloses
Grundeinkommen

Angesichts steigender Sozialleistungen, die, sämtliche Leistungen von Bund, Kommunen etc. addiert (Hartz IV, Arbeitslosengeld, Wohngeld, BAföG, Zuschüsse etc.), im Jahr 2015 888,2 Milliarden Euro betrugen und für 2017 auf mindestens 920 Milliarden Euro im Jahr anwachsen werden, ist ein bedingungsloses Grundeinkommen eine durch sämtliche „Lager“ diskutierter Ansatz.

Viele Experten, so auch die Vorgenannten, selbst die der Deutschen Bank, kommen zu dem Ergebnis, dass ein Grundeinkommen für jeden EU-Bürger und für alle Einkommensschichten hilft, die Absatzmärkte zu stabilisieren und den sozialen Frieden zu erhalten. Die Volkswirte der Deutschen Bank z. B. sind der Ansicht, dass das sogenannte Helikoptergeld (da es quasi vom Himmel fällt), wie von der EZB erwogen, deutlich wirksamer wäre als die traditionellen Mittel der Geld- und Fiskalpolitik.

Reale Feldversuche
in Europas Ländern

Andere sind da eher skeptisch. Dennoch: Finnland, die Niederlande und die Schweiz diskutieren konkret über die Einführung eines Grundeinkommens. Kanada führt erste Feldversuche durch. In der Schweiz votierten die Bürger bei einer Volksabstimmung kürzlich gegen diese Idee, die damit aber nicht vom Tisch ist. Nach Vorstellung der Volksinitiative sollen bis zu 2.500 Franken (in Deutschland etwa 1.600 Euro) für alle 16- bis 65-Jährigen gezahlt werden – für Kinder und Rentner die Hälfte. In Finnland wird über eine Summe von 800 Euro diskutiert, was etwa 664 Euro Kaufkraft in Deutschland entspricht.

Befürworter rechnen vor, dass die EZB derzeit schon fast eine Billion Euro pro Jahr in marode Banken und Unternehmen pumpt und addieren diese Summe mit den Sozialausgaben der Länder. In Deutschland bis 2020 wahrscheinlich über eine Billion Euro pro Jahr. Zudem könnten beachtliche Verwaltungskosten eingespart werden. Gegner argumentieren, dass die derzeitige Sozialhilfe ohnehin bereits in diese Richtung liefe, was die gewaltig gestiegenen Sozialkosten zeigten. Doch welche Alternativen bleiben stattdessen?

Mindestlohn für Selbstständige

Im Gespräch ist auch ein Mindestlohn für Tätigkeiten von Cloudworkern und des Share-Economy-Trends. Wenn Finanzämter imstande sind, den Bedarf an Shampoo pro Haarwäsche oder die Größe eines Schnitzels in der Gastronomie zu schätzen, sollte es nach den Befürwortern auch möglich sein, Zeitaufwände für andere Tätigkeiten grob zu bestimmen, um Preistreiberei in der digitalen Arbeitswelt zu regulieren und sei es zunächst durch eine Art Kodexverpflichtung.

So wären Millionen Cloudworker nicht mehr auf Zuschüsse angewiesen und den Initiatoren solcher Netzarbeitsplätze, aber auch „freien“ Cloudworkern würde Dumping erschwert, was den Wettbewerb mit regulär Beschäftigten beruhigt. Auch Unternehmer könnten in die Cloud ausgelagerte Dienstleistungen nicht mehr wie gegenwärtig für deutlich weniger als den Mindestlohn vergeben.

Weitere Überlegungen

Eine weitere Antwort auf die derzeitigen Umwälzungen am Arbeitsmarkt könnte nach Meinung von Experten eine Art Steuer auf Rationalisierungen oder Automationen nach der Doktrin der vierten industriellen Revolution sein. Dazu gibt es reichlich Überlegungen, z. B.:

Sozialleistungen, die Unternehmen personenbezogen erbringen, künftig durch eine pauschale Sozialsteuer auf Unternehmensgewinne zu ersetzen. Unternehmen, die in Rationalisierung investieren, könnten Investitionen nach wie vor absetzen, würden jedoch fairer belastet, selbst und gerade dann, wenn sie Produkte künftig gänzlich ohne menschliche Arbeitskraft herstellen.

Die Diskussion nimmt gerade erst Fahrt auf und bekommt einen gewissen Schub von „unten nach oben“. Verbraucher, die meistens auch betroffene Angestellte sind, machen zunehmend persönliche Erfahrungen z. B. im Arbeitsumfeld. Entlassungen und Gehaltskürzungen bringen eine Sensibilisierung mit sich, nicht nur in Bezug auf das eigene Konsumverhalten.

Ein Trend, der in unserer Branche besonders solchen Druckereien zugutekommt, die nachhaltig und fair agieren:

Authentischer kommunizieren

Diese Unternehmen sollten sich zusammen intensiver an dieser Diskussion beteiligen und Zeit investieren, um ihre Kunden noch direkt aufzuklären – beispielsweise über Kundenzeitungen oder eigene Blogs. Fairness und Nachhaltigkeit praktizieren und viel konkreter sowie ggf. auch etwas aggressiver darüber sprechen? Das würde sich bezahlt machen, denn wenn auch nicht offiziell, so sprechen doch viele Verbraucher und Unternehmer dieser Tage ohnehin über das Thema Fairness und die beinahe vollständig verloren gegangene Teilhabe der ehemaligen sozialen Marktwirtschaft.