Der neue Sinn nach Sinn im Marketing
Ein Trend ist gekommen, um zu bleiben: Der Begriff Purpose steht im Marketing für den Sinn und Zweck von Unternehmungen und eine neue Kultur der Kommunikation.
Digitalisierung: Produkte und Dienstleistungen verlieren durch Normungen und Automatisierungen zunehmend ihre unverwechselbaren Profile – die klassischen Differenzierungs- und Alleinstellungsmerkmale lösen sich zusehends im digitalen Nirwana auf. Im Internet, dem größten Sonderposten- und Schnäppchenmarkt der Welt, zählt häufig nur das Preisargument.
Monokultur. Monokonsum.
Begriffe wie Fast Food, Fast Fashion oder Fast Print, Same Day, Quick-Info, to go, Over Night, 24/7, Just-in-Time, Snackable Content, On-Demand, soon as possible, 5-Minuten-Terrine, Sofortkredit, Blitzwäsche etc., betonen Eiligkeit und Oberflächlichkeit, statt Nährwert.
Immer. Alles. Sofort.
Wir leben in Zeiten, in denen Momente des Erlebens – wo Erinnerungen im flimmernden, digitalen Rauschen an Gewicht und Bedeutung verlieren. Die damit aufziehende Tristesse, ein Gefühl bei uns Menschen, mit alledem nicht nachhaltig glücklicher zu werden, hat einen Trend nach dem Sinn ausgelöst, der mittlerweile gewaltige Resonanz findet. Quasi ein Gegentrend-Trend, den jetzt auch Unternehmen zunehmend adaptieren.
Die neue Bedeutung von „Purpose”, dem guten Zweck und dem höheren Sinn,
spiegelt ein neues Konsumentenbedürfnis wider, die zu einer Anforderung herangewachsen ist. Studien wie die Edelman goodpurposeTM-Studie zeigen, dass Konsumenten selbst Gutes tun möchten, aber auch von Unternehmen gesellschaftliches und ökologisches Engagement erwarten.
Mehr Identifikation mit Momenten und Produkten
Dieser Gegentrend-Trend ist keine Nostalgiewelle, ausgehend von Gestrigen, die die Gegenwart nicht verstehen. Der Trend beschreibt keine „früher war alles besser“-Poesie, sondern die Erkenntnis einer digital ernüchterten „Immer-alles-sofort“-Gesellschaft – heute, ungefähr 13 Jahre nachdem das erste iPhone (G2, Januar 2007) auf den Markt kam und auch das Internet langsam breitenwirksam genutzt wurde.
Viele Menschen merken jetzt, dass in alledem „immer mehr“, immer weniger wirklich ist – im wahrsten Sinne des Wortes „Wirkung“. Denn, ist ein ersehnter Augenblick gekommen, wird er, den Blick schon auf den nächsten gerichtet, immer seltener wirklich erlebt oder genossen. Dieser Drang nach allem und immer sofort, eine theoretische Verfügbarkeit von scheinbar grenzenlosen Optionen, degeneriert sich zu einem Selbstweck.
Verantwortliche im Marketing ringen in diesem digitalen Einerlei um Wirklichkeit, im Sinne der realen Wirkung, denn Wirkung ist das zentrale Ziel im Marketing. Doch über digitale Kanäle, derer sich alle bedienen, verliert sich diese Wirkung zusehends, so auch die unverwechselbaren Profile von Angeboten und Dienstleistungen.
Dank Smartphones und Multitasking werden Konsumenten heutzutage im Schnitt mit 8.000 bis 13.000 Werbebotschaften täglich bombardiert.
Psychologen erklären die Lust nach immer mehr Optionen, und den Frust dabei, mit unserer biologisch begrenzten Lebenszeit. Indirekt versuchen Menschen, so die Erklärung, die Lebenszeit durch mehr Erlebenszeit zu strecken, etwa nach der Devise:
mehr erlebt gleich mehr gelebt.
In dieser Atmosphäre sind viele Unternehmen selbst die Getriebenen. Im Fokus stehen Profit und Performance.
Performance contra Werte und Wachstum
Das ist grundsätzlich logisch, auf Dauer aber oft nicht nachhaltig. Ein Blick auf die Historie vieler heute erfolgreicher, digitaler Start-ups zeigt, welche Stellung Werte und Wachstum anstelle von Performance haben können. Nehmen wir Facebook als Beispiel: Das Unternehmen setzte jahrelang nur auf Wachstum und war viele Jahre trotz Hunderter von Millionen Usern
nicht rentabel, aber zunehmend wertvoll.
Facebook konnte seine Werte, nämlich die Masse der Nutzer, erst viel später monetarisieren. Viele Mittelständler können sich diese Strategie nicht leisten, aber dennoch von der Idee Werte-vor-Performance profitieren. Werte sind eine Einzahlung in die Zukunft von Unternehmungen – besonders im digitalen Marketing, wo sie durch entsprechende Inhalte kommuniziert werden können.
Inhaber und Vorstände, die sich zu sehr von der eiligen Gewinnmaximierung und der kurzfristigen Fixierung auf Performance treiben lassen, generieren zwar schnelle, aber mittelfristig zu teuer bezahlte Punktsiege.
Marketing-Schulden?
Marketers, die allein auf irrelevante Performance-Indikatoren wie dem Traffic setzen, hoffen auf schnelle Effekte. Eine vergleichbare Versuchung ist in der IT-Branche wohlbekannt. Der Programmierer, Ward Cunningham, Entwickler des WikiWikiWeb (die erste Wiki-Website oder editierbare Website überhaupt), prägte den Begriff:
Digitale Verschuldung.
Jede Anwendung, die eilig installiert wird, so sein anerkanntes Argument, kostet durch spätere Korrekturen viel mehr als geplant. Die Ressourcen der IT-Teams würden zunehmend dadurch gebunden, rasch entwickelte Anwendungen mit zusätzlichen Funktionen auszustatten, damit sie weiterhin einsetzbar bleiben.
Im Gegensatz dazu böten Systeme, die aufwändiger programmiert würden, in absehbarer Zukunft dennoch deutliche Vorteile: sie müssen nicht nachgerüstet werden, wären robuster und ließen sich skalieren – der Mehraufwand würden sich schnell bezahlt machen, so der IT-Experte.
Schneller, zuweilen blinder Aktionismus? So entsteht auch im Marketing, analog zur digitalen Verschuldung, eine
Marketing-Verschuldung mit zunehmender Verzinsung.
Wie kommt es zu Marketing-Schulden?
Unternehmen, die primär auf schnelle Effekte fokussieren, generieren häufig nicht mehr als bezahlte Websitebesucher. Wenn die Conversion Rate (Aktionsquote der Websitebesucher) zu gering ausfällt, was häufig der Fall ist, dann steht der finanzielle Input in keinem Verhältnis mehr zum Output (Sales, Interaktionen auf der Website etc.).
Diese Strategie hat viele Unternehmen bereits in eine Marketing-Verschuldung geführt, die weniger in realen Euro zu messen ist. Vielmehr vergrößert sich der Abstand zu Wettbewerbern, die stattdessen mehr Ressourcen in organische Marketing-Assets investieren und ihre „Purpose-Assets“ wie gesellschaftliche und ökologische Verantwortung crossmedial kommunizieren: über ihre Blogs, Social, mittels Newsletter oder auf Veranstaltungen. Solche Kampagnen wirken nicht sofort, aber meistens sehr viel nachhaltiger und langfristiger:
Rendite, statt Zinsen im Marketing!
Werte säen, Response ernten
„Mittlerweile schauen sich über 10.000 Websitebesucher jeden Monat unsere Inhalte an. In den ersten 18 Monaten haben wir konsequent ins Content-Marketing investiert. Dann haben sich die laufenden Kosten unseres Content-Projektes bereits amortisiert. Heute, nach drei Jahren, profitieren wir – die Besucherzahlen wachsen“, resümiert ein Mediendienstleister, für den wir vor drei Jahren eine Content-Strategie entwickelt und begleitet haben. Die Vorteile sind klar:
- Neue, hochwertige Themen werden monatlich in Newslettern zusammengefasst.
- Bestandskunden werden durch relevante Inhalte gebunden.
- Vertrieb und Support werden entlastet.
- Direkte Umsatzeffekte durch bessere Sichtbarkeiten in den Suchmaschinen.
- Neue Follower in den sozialen Medien.
- Jeder neue Inhalt stärkt die bestehenden – durch die richtige Strukturierung (Schlagwörter, Kategorien etc.) und logische Verlinkung zwischen bestehenden und neuen Inhalten.
- Schließlich entsteht ein großes Ganzes, unterstreicht die Kompetenz und fördert die Identifikation der Kunden mit dem kommunizierten Leitbild des Unternehmens – mit einem tieferen Sinn und Zweck!
Googles Bert und der Sinn und Zweck im Content-Marketing
Content-Marketing ist definitiv die am meisten unterschätzte Marketing-Disziplin im digitalen Raum. Wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre Idee richtig kommunizieren, zeigt sich seit Jahren auch durch die Entwicklung der Google-Suchmaschine und anderer Suchdienste:
- Machine-Learning, in Kombination mit statistischen Auswertungen, führen zunehmend zu einer semantischen Interpretation, bezogen auf Suchanfragen und Dokumente bzw. von ganzen Websites.
- Ein zentrales Ziel von Google ist also ein semantisches Verständnis der indexierten Websites.
- Google, aber auch andere Algorithmen verstehen mittlerweile Kontexte, Zusammenhänge, quasi die Seele einer Website, zunehmend auch als eine Einheit. Das große Ganze einer Internetseite wird deutlicher.
- Keine Chance für „nur“ technische SEO-Optimierungen.
Diese Suchergebnisse, also unser aller Websites, sind die Ware im „Google-Angebotsregal“. Kernziel: Suchende so gut als möglich zu bedienen. Zum Nachschlagen für alle SEO-Agenturen, betont das Google-Management mit Nachdruck:
Inhalte sind für die Nutzer da und werden in keinem Fall nur für die Sichtbarkeit in der Suchmaschine verfasst!
Sogenannte SEO-Texte, die nur auf Keyworddichte, Überschriften und sonstigen technischer SEO-Humbug ausgelegt sind, werden aus Google-Sicht eher als Web-Spam behandelt.
Experten sind sicher, dass Google auch Nutzer-Signale bewertet. Sind diese auf einer ausgelieferten Landingpage positiv, werden Einträge für entsprechende Suchphrasen präsenter Suchergebnis einsortiert. Schon seit Jahren zeichnet sich ab:
Das rein technische SEO verliert Bedeutung. Künftig zählen hochwertige, auf die Zielgruppe zugeschnittene Inhalte mit Relevanz, die durch gezielte technische SEO-Handgriffe optimiert werden sollten.
Einzahlung auf das digitale Content-Konto
Eine Content-Projekt muss gut vorbereitet sein, vergleichbar mit einer Bauzeichnung für ein Haus.
Content-Marketing ist kein Sprint im Advertising, sondern eine Kommunikations-Strategie mit unterschiedlichen Zielen, also eher ein Langstreckenlauf. Content braucht Ressourcen: Für Recherchen, die Redaktion und auch die Schaffung von Reichweite. Professionelles Content-Marketing beginnt mit einer Content-Strategie. Darauf folgt ein Prozess, basierend auf einer Prozess-Methode, die auch kleine Unternehmen meistern können.
Viele Unternehmen scheitern hier nur deshalb, da sie sowohl ohne Strategie als auch ohne die richtige Methode beginnen. So geht vielen schon nach wenigen Beiträgen die Puste aus. Viele geraten in Content-Panik und schon zu Beginn eines Content-Projektes fehlen relevante Themen oder Fundament-Themen, auf die aufgebaut werden kann.
Meistens wird nur deshalb zu schnell aufgegeben, da zu halbherzig angefangen wurde.
Wir haben Gespräche mit Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen analysiert. Daraus habe ich die zehn größten Mythen im Content-Marketing zusammengefasst – Ursachen, die dem Erfolg von Content-Projekten häufig im Wege stehen:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird ganz oder teilweise auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche betreffende Bezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
Jürgen Zietlow
Unternehmensberater für nachhaltige Kommunikation
Fachjournalist, Umwelt-Lobbyist | 2005 bis 2017 Chefredakteur Magazin MEDIEN | seit 2010 Analyst für nachhaltige Kommunikation, Social Monitoring/Media | Entwickler LineCore-Methode® (Recherche-/ Redaktionssystem).
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